09 - Denn sie betrügt man nicht
sie eine Zusage hatte, würde sie ihn gehen lassen. Er war ihre einzige Chance. »Rachel tut es nicht, Theo. Bitte. Hilf mir.«
»Querashis Kind loszuwerden, meinst du? Warum?«
»Weil meine Eltern ...« Wie sollte sie es ihm erklären?
»Was ist mit deinen Eltern? Sicher, dein Vater wird wahrscheinlich ausflippen, wenn er hört, daß du schwanger bist. Aber wenn das Kind ein Junge ist, wird er sich bestimmt bald von dem Schrecken erholen. Du brauchst ihm ja nur zu sagen, daß ihr beide, du und Querashi, so heiß aufeinander wart, daß ihr nicht bis nach der Trauung warten konntet.«
Neben der krassen Ungerechtigkeit seiner Worte - die seinem eigenen Leiden entsprang - preßte ihre schiere Brutalität die Wahrheit aus ihr heraus. »Es ist nicht Haythams Kind«, sagte sie. Ihre Hand fiel von seinem Arm herab. »Ich war schon schwanger, als Haytham nach Balford kam.«
Theo starrte sie ungläubig an. Sie sah, wie er mit qualvoll forschendem Blick versuchte, die ganze Wahrheit aus ihrem Gesicht herauszulesen. Er sagte: »Was zum Teufel ...?« Aber die Frage kam nicht über seine Lippen. Er wiederholte nur seine ersten Worte.
»Sahlah, was zum Teufel ...?«
»Ich brauche deine Hilfe«, sagte sie. »Ich bitte dich um deine Hilfe.«
»Von wem ist das Kind?« fragte er. »Wenn es nicht von Haytham ist ... Sahlah, von wem ist es?«
»Bitte hilf mir zu tun, was ich tun muß. Wen kann ich anrufen? Gibt es eine Klinik? In Balford geht es nicht. Das kann ich nicht riskieren. Aber in Clacton ...? Es muß doch in Clacton eine Möglichkeit geben. Jemanden, der mir helfen kann, Theo. In aller Stille und schnell, damit meine Eltern nichts merken. Denn wenn sie es erfahren, wird es sie umbringen. Glaub mir. Es wird sie umbringen, Theo. Und nicht nur sie.«
»Wen denn noch?«
»Bitte!«
»Sahlah.« Er packte sie plötzlich am Oberarm. Es war, als hörte er in ihrem Ton alles, was zu sagen sie nicht über sich brachte.
»Was ist passiert? In der Nacht. Sag es mir. Was ist passiert?«
Du wirst bezahlen, hatte er gesagt, so wie alle Huren zahlen.
»Ich habe es selbst herausgefordert«, sagte sie mit brüchiger Stimme, »weil mir völlig gleichgültig war, was er dachte. Weil ich ihm sagte, daß ich dich liebe.«
»O Gott«, flüsterte er und ließ sie los.
Die Tür von Agatha Shaws Zimmer öffnete sich, und Sahlahs Vater trat heraus. Er schloß sie sorgfältig hinter sich. Er schien verwundert, seine Tochter und Theo Shaw in ernsthaftem Gespräch anzutreffen. Doch sogleich hellte sich sein Gesicht erfreut auf, wohl weil er glaubte, Sahlah täte ihren Teil, um in den Garten zu kommen, unter dem die Flüsse strömten.
Er sagte: »Ah, Theo. Es freut mich sehr, daß wir noch Gelegenheit haben, Sie zu sehen, bevor wir gehen. Ich habe eben mit Ihrer Großmutter gesprochen und ihr - als Freund und Stadtrat - versichert, daß sie um ihre Pläne zur Erneuerung Balfords nicht zu fürchten braucht. Sie werden genau ihren Vorstellungen entsprechend durchgeführt werden.«
Theo stand auf. Sahlah tat es ihm nach. Sie senkte züchtig den Kopf und konnte so ihr verräterisch dunkel gewordenes Muttermal vor den Augen ihres Vaters verbergen.
»Ich danke Ihnen, Mr. Malik«, sagte Theo. »Das ist sehr gütig von Ihnen. Meine Großmutter wird Ihnen das hoch anrechnen.«
»Sehr gut«, meinte Akram. »Und jetzt, Sahlah, mein Kind, denke ich, sollten wir gehen.«
Sahlah nickte. Sie warf Theo einen letzten Blick zu. Sein Gesicht war bleich geworden unter der leichten Bräunung, und sein Blick flog zwischen Akram und ihr hin und her, als wollte er etwas sagen und wüßte nicht, was. Er war ihre einzige Hoffnung, und wie all die Hoffnungen, die sie einst an das Leben und die Liebe geknüpft hatte, entglitt er ihr jetzt.
Sie sagte: »Es war sehr nett, mal wieder mit Ihnen zu sprechen, Theo. Ich hoffe, Ihre Großmutter wird bald wieder gesund.«
»Danke«, erwiderte er steif.
Sahlah fühlte, wie ihr Vater ihren Arm nahm, und sie ließ sich zum Aufzug am anderen Ende des Korridors führen. Jeder Schritt schien sie näher an den Abgrund zu führen. Aber da sprach Theo plötzlich.
»Mr. Malik«, sagte er.
Akram blieb stehen und drehte sich um. Er wartete mit freundlicher Aufmerksamkeit. Theo trat zu ihnen.
»Ich wollte eigentlich fragen«, begann er. »Ich meine, entschuldigen Sie, wenn ich mich danebenbenehme, ich muß zugeben, ich weiß nicht genau, was sich in dieser Situation gehört. Aber hätten Sie etwas dagegen, wenn ich Sahlah
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