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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ihn finster an. »Sie werden das Ding doch nicht benützen wollen?« rief sie.
    »Ich hoffe von Herzen, daß sich das umgehen läßt«, antwortete er, und sie mochte ihn für diese Antwort.
    Das Meer um sie herum war eine endlose wogende Fläche schmutzigen Grüns. Längst hatten sie die kleineren Vergnügungsboote hinter sich gelassen. Nur die fernen Fährschiffe, die unterwegs waren nach Holland, Deutschland und Schweden, begleiteten sie.
    »Liegen wir noch richtig?« brüllte Emily. »Oder muß ich korrigieren?«
    Barbara hob den Feldstecher. Sie zuckte zusammen, als das Boot einen Satz tat, den ihre Rippen übel vermerkten. »Links«, schrie sie. »Mehr nach links. Schnell, schnell! Mach schnell.« Es sah aus, als wäre das andere Boot nur noch Zentimeter von der Nebelbank entfernt.
    Emily hielt nach Backbord. »Ich seh' ihn. Ich hab' ihn!«
    Und Barbara senkte den Feldstecher, als sie näher kamen.
    Sie waren nur noch etwa hundertfünfzig Meter entfernt, als Malik sie bemerkte. Sein Boot wurde von einer Welle hochgetragen, und er blickte zurück. Dann richtete er seine ganze Aufmerksamkeit auf das Steuer und den Nebel, da er nicht hoffen konnte, ihnen davonzufahren.
    Er raste weiter. Das Boot schnitt in die Wellen. Wasser ergoß sich in schäumenden Massen über seinen Bug. Maliks Haar, nicht wie sonst zurückgebunden, flatterte im Wind. Und neben ihm, so nahe, daß es aus der Ferne aussah, als wären die beiden eine Person, stand Hadiyyah, die Hände in den Gürtel ihres Onkels gehakt.
    Dumm war er nicht, dieser Kerl, dachte Barbara. Er ließ das Kind nicht von seiner Seite.
    Die Sea Wizard stürmte vorwärts, erklomm die Wellenkämme und tauchte in die Täler. Als Emily den Abstand zwischen den beiden Booten auf ungefähr vierzig Meter verkürzt hatte, nahm sie Geschwindigkeit weg und griff nach dem Lautsprecher.
    »Halten Sie an, Malik«, rief sie ihm zu. »Wir sind schneller als Sie.«
    Er raste weiter. Unbeirrt. Ohne die Geschwindigkeit zu drosseln.
    »Seien Sie kein Narr«, rief Emily. »Halten Sie an. Sie sind erledigt.«
    Nichts.
    »Verdammt noch mal«, schimpfte Emily, den Lautsprecher neben sich. »Na schön, du Mistkerl. Wie du willst.«
    Sie gab wieder Gas und flog näher an das Boot heran. Der Abstand schrumpfte auf zwanzig Meter.
    »Malik« - wieder über den Lautsprecher -, »halten Sie an. Polizei. Wir sind bewaffnet. Sie haben keine Chance.«
    Er gab Gas. Sein Boot schoß vorwärts. Er drehte nach Backbord, weg von der Nebelbank. Bei der plötzlichen Richtungsänderung wurde Hadiyyah an ihn geschleudert. Er packte sie um die Taille und hob sie in die Höhe.
    »Lassen Sie sofort das Kind los!« schrie Emily.
    Und entsetzt begriff Barbara, daß er genau das vorhatte.
    Nur einen Moment lang konnte sie Hadiyyahs Gesicht sehen - in Todesangst, alle Freude an der Bootsfahrt mit dem Onkel vergessen. Dann hatte Muhannad Malik sie auf den Bootsrand geschoben. Er warf sie über Bord.
    »Hölle und Teufel!« schrie Barbara.
    Malik war ans Steuer zurückgekehrt. Er zog das Boot herum, weg von Hadiyyah, und hielt direkt auf den Nebel zu. Emily jagte die Motoren hoch. Blitzartig erkannte Barbara - und doch schien der Moment des Begreifens ewig zu dauern -, daß Emily die Jagd aufnehmen wollte.
    »Emily!« schrie sie. »Um Gottes willen! Das Kind!«
    Wie eine Wahnsinnige suchte Barbara in den Wellen nach ihr und entdeckte sie. Einen auf und ab tanzenden Kopf, wild um sich schlagende Arme. Sie ging unter, kam wieder hoch.
    »Chefin!« brüllte Fogarty.
    »Scheiß drauf!« brüllte Emily zurück. »Wir haben ihn.«
    »Aber die Kleine wird ertrinken.«
    »Nein! Jetzt haben wir ihn, diesen Mistkerl.«
    Das Kind ging wieder unter. Tauchte auf. Schlug in Panik um sich.
    »Herrgott, Emily!« Barbara packte sie am Arm. »Halt das Boot an. Hadiyyah ertrinkt.«
    Emily schüttelte sie ab. Gab Gas. »Genau das will er doch«, schrie sie. »Darum hat er's getan. Werft ihr eine Schwimmweste zu.«
    »Nein! Sie ist zu weit weg. Sie wird ertrinken, bevor sie sie erreicht.«
    Fogarty warf den Karabiner weg. Er riß sich die Schuhe von den Füßen. Er stand schon am Bootsrand, als Emily schrie: »Runter da! Sie bleiben hier. Ich brauche Sie an der Waffe.«
    »Aber, Chefin -«
    »Nichts da, Mike. Sie haben gehört, was ich gesagt habe. Das ist ein Befehl.«
    »Emily! Um Gottes willen!« rief Barbara. Sie waren schon so weit von dem Kind entfernt, daß Fogarty es schwimmend nicht mehr hätte erreichen können, bevor es ertrank.

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