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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Gast, auf welcher Stufe der Hotelhierarchie er stand. »Mr. Treves, was können Sie mir über Haytham Querashi erzählen? Wie lange hat er bei Ihnen gewohnt? Bekam er Besuch? Von Freunden vielleicht? Hat er irgendwelche besonderen Anrufe bekommen oder selbst getätigt?«
    Sie drückte den Handrücken gegen ihre feuchte Stirn und trat zur Kommode, um Querashis Sachen durchzusehen. Bevor sie die erste Schublade aufzog, kramte sie die Plastiktüte für Beweisstücke, die Emily ihr mitgegeben hatte, aus ihrer Umhängetasche, und zog Latexhandschuhe über.
    Querashi hatte, wie Basil Treves berichtete, sechs Wochen im Burnt House Hotel gewohnt. Akram Malik hatte ihm das Zimmer besorgt. Die Familie hatte dem jungen Paar ein Haus gekauft, das zur Mitgift der Malik-Tochter gehörte, doch da es erst noch renoviert werden mußte, hatte Querashi seinen Aufenthalt im Hotel mehrmals verlängert. Er war jeden Morgen vor acht Uhr zur Arbeit gefahren und im allgemeinen abends zwischen halb acht und acht zurückgekehrt. Unter der Woche hatte er das Frühstück und das Abendessen im Burnt House eingenommen, an den Wochenenden hatte er irgendwo anders zu Abend gegessen.
    »Bei den Maliks?«
    Treves zuckte die Achseln. Er strich mit einem Finger über die Türfüllung und inspizierte danach seine Fingerspitze. Selbst Barbara, die drüben bei der Kommode stand, konnte sehen, daß der Staub dick an ihr hing. Beschwören könne er nicht, daß Querashi jedes Wochenende bei den Maliks verbracht hatte. Einleuchtend wäre es natürlich gewesen - »Da so ein junges Paar unter normalen Umständen natürlich jede Gelegenheit nutzen würde, um zusammenzusein, nicht wahr?« -, da jedoch die Umstände in diesem Fall ziemlich ungewöhnlich gewesen seien, bestünde durchaus die Möglichkeit, daß Querashi seine Freizeit am Wochenende anders genutzt habe.
    »Was meinen Sie mit ungewöhnliche Umstände?« Barbara wandte sich von der Kommode ab.
    »Nun, eine arrangierte Heirat«, erläuterte Treves. »Ziemlich mittelalterlich, finden Sie nicht auch?«
    »Das ist doch eine kulturelle Sache.«
    »Nennen Sie es, wie Sie wollen, wenn man Männern und Frauen des zwanzigsten Jahrhunderts die Sitten aus dem vierzehnten Jahrhundert aufzwingt, darf man sich über das, was dabei herauskommt, nicht wundern.«
    »Was kam denn in diesem Fall dabei heraus?« Barbara wandte sich wieder der Kommode zu, um die Sachen durchzusehen, die auf ihr lagen: ein Reisepaß, ein Häufchen Münzen, eine Geldklammer mit fünfzig Pfund in Scheinen und ein Prospekt des Castle Hotel Restaurants, das der beigefügten Karte zufolge an der Hauptstraße nach Harwich lag. Barbara öffnete ihn neugierig. Die Preisliste fiel heraus. Das letzte aufgeführte Zimmer war eine Hochzeitssuite. Für achtzig Pfund pro Nacht hätte man Querashi und seiner Braut ein Himmelbett, eine halbe Flasche Asti Spumante, eine rote Rose und Frühstück im Bett geboten. Romantischer Bursche, dachte sie und nahm sich als nächstes ein ledernes Kästchen vor, das jedoch abgesperrt war.
    Ihr wurde plötzlich bewußt, daß Treves ihre Frage nicht beantwortet hatte. Sie warf ihm einen Blick zu. Er zupfte nachdenklich an seinem Bart, und sie bemerkte zum ersten Mal einige wenig appetitliche Hautfetzen im Haargewirr, Abfallprodukte eines Ekzems an seinen unteren Wangenpartien. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, der beinahe typisch war für Menschen, die keine Macht hatten, aber nach Macht lechzten. Hochmütig und wissend, zugleich jedoch voll Unschlüssigkeit, ob es klug sei, das eigene Wissen mit anderen zu teilen. Barbara seufzte innerlich. Mußte man diesem Kerl denn jedesmal um den Bart gehen, wenn man etwas von ihm wissen wollte?
    »Ich brauche Ihren Einblick, Mr. Treves. Abgesehen von den Maliks sind Sie wahrscheinlich die beste Informationsquelle, die wir haben.«
    »Das ist mir klar.« Treves strich glättend über seinen Bart. »Aber Sie müssen verstehen, daß ein Hotelier gewisse Ähnlichkeit mit einem Beichtvater hat. Der erfolgreiche Hotelier wird das, was er sieht und hört, stets vertraulich behandeln, ebenso die Schlüsse, die er daraus zieht.«
    Barbara hätte ihn gern darauf hingewiesen, daß der Zustand des Burnt House Hotels ihn wohl kaum dazu berechtigte, sich als erfolgreich zu bezeichnen. Doch sie kannte die Regeln des Spiels, das er spielte.
    »Glauben Sie mir«, erklärte sie feierlich, »alle Informationen, die Sie an uns weitergeben, werden absolut vertraulich behandelt, Mr. Treves. Aber ich

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