09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)
ein zartes Herz … aber nehmt den Rat eines älteren, weiseren Kopfes an. Die Dinge sind nicht immer so, wie sie erscheinen. Vieles, das böse erscheint, kann gut sein. Denkt nur an den Regen.«
»Regen?« Hält er mich für eine Närrin oder einfach nur für ein Kind.
» Wir verfluchen den Regen, wenn er uns auf den Kopf fällt, aber ohne ihn würden wir verhungern. Die Welt braucht den Regen … und Sklaven. Ihr verzieht das Gesicht, aber ist es wahr. Denkt an Quarth. In der Kunst, der Musik, der Magie, im Handel und in all dem, das uns von den Tieren unterscheidet, steht Quarth über dem Rest der Menschheit, so wie Ihr hier oben auf der Spitze dieser Pyramide sitzt … doch unten, dort wo mit Ziegeln gebaut wird, ruht die Königin der Städte auf dem Rücken von Sklaven . Fragt Euch selbst: Wenn alle Menschen sich bücken müssten, um in der Erde nach Essen zu graben, wie sollte dann irgendjemand in der Lage sein, den Blick zu heben und die Sterne zu betrachten? Wenn wir alle uns damit beschäftigen müssten, Hütten zu bauen, wer sollte die Tempel zum Ruhm der Götter errichten? Damit manche Männer groß sein können, müssen andere versklavt werden.«
Er war zu redegewandt für sie. Dany hatte keine Argumente mehr, abgesehen von dem unangenehmen Gefühl in ihrem Bauch. »Sklaverei ist nicht das Gleiche wie Regen«, beharrte sie. »Ich bin schon vom Regen nass geworden, und ich wurde auch schon verkauft. Das ist nicht das Gleiche. Kein Mensch möchte Eigentum sein.«
Xaro zuckte träge mit den Schultern. »Zufällig habe ich einen Mann getroffen, als ich vor Eurer schönen Stadt an Land ging. Dieser Mann war einmal Gast in meinem Hause, ein Kaufmann, der mit seltenen Gewürzen und erlesenen Weinen Handel trieb. Sein Oberkörper war nackt und rot, seine Haut schälte sich. Allem Anschein war er damit beschäftigt, ein Loch zu graben.«
»Kein Loch. Einen Graben, um das Wasser vom Fluss zu den Feldern zu leiten. Wir wollen Bohnen pflanzen. Die Bohnenfelder brauchen Wasser.«
»Wie freundlich von meinem alten Freund, Euch beim Graben zu helfen. Solche Freundlichkeit sieht ihm gar nicht ähnlich. Möglicherweise hat er in dieser Hinsicht keine Wahl? Nein, gewiss nicht. Es gibt keine Sklaven in Meereen.«
Dany errötete. »Euer Freund bekommt Essen und ein Dach über dem Kopf. Ich kann ihm seinen Reichtum nicht zurückgeben. Meereen braucht Bohnen dringender als seltene Gewürze, und Bohnen brauchen Wasser.«
»Sollen meine Tänzer ebenfalls Gräben buddeln? Süße Königin, als er mich gesehen hat, fiel mein alter Freund auf die Knie und bettelte mich an, ihn als Sklaven zu kaufen und ihn mit nach Quarth zu nehmen.«
Sie fühlte sich, als hätte er ihr eine Ohrfeige versetzt. »Dann kauft ihn doch.«
»Wenn es Euch gefällt. Ich weiß, dass es ihm gefallen würde.« Er legte ihr die Hand auf den Arm. »Es gibt Wahrheiten, die Euch gegenüber nur ein Freund aussprechen wird. Ich habe Euch geholfen, als Ihr als Bettlerin nach Quarth kamt, und ich habe viele, viele Meilen und stürmische Meere hinter mich gebracht, um Euch erneut zu helfen. Gibt es hier einen Ort, an dem wir uns offen unterhalten können?«
Dany spürte die Wärme seiner Finger. In Quarth war er auch warm, erinnerte sie sich, bis zu dem Tag, an dem er keine Verwendung mehr für mich hatte. Sie erhob sich. »Kommt«, sagte sie, und Xaro folgte ihr durch die Säulen zu der breiten Marmortreppe, die hinauf in ihre Gemächer an der Spitze der Pyramide führte.
»Oh, schönste aller Frauen«, sagte Xaro, während sie die Stufen hinaufstiegen, »ich höre Schritte hinter uns. Wir werden verfolgt.«
»Mein müder Ritter wird Euch sicherlich nicht beängstigen, oder? Ser Barristan hat geschworen, meine Geheimnisse zu bewahren.«
Sie führte ihn auf die Terrasse, von der man über die ganze Stadt schauen konnte. Ein voller Mond hing am schwarzen Himmel über Meereen. »Sollen wir ein wenig gehen?« Dany schob ihren Arm durch seinen. In der Luft lag der schwere Duft von nachtblühenden Blumen. »Ihr habt von Hilfe gesprochen. Treibt Handel mit mir. Meereen hat Salz zu verkaufen und Wein …«
»Ghiscarischen Wein?« Xaro verzog das Gesicht. »Das Meer liefert alles Salz, das Quarth benötigt, aber gern würde ich so viele Oliven mitnehmen, wie Ihr mir verkaufen mögt. Und auch Olivenöl.«
»Ich kann weder das eine noch das andere anbieten. Die Sklavenhändler haben die Bäume verbrannt.« Seit Jahrhunderten war die Küste der Sklavenbucht mit
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