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09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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darauf bestehen, dass sie stattdessen zu ihm kam, wenn sie mit ihm sprechen wollte. Und häufig, wenn sie kam, ließ er sie warten oder weigerte sich gar, sie zu empfangen. Das immerhin war klug.
    »Ich möchte Nesseltee, ein gekochtes Ei und Brot mit Butter. Frisches Brot, wenn möglich, kein geröstetes. Außerdem könntest du den Wildling suchen. Sag ihm, ich müsse mit ihm sprechen.«
    »Rasselhemd, Mylady?«
    »Und beeile dich.«
    Als der Junge fort war, wusch Melisandre sich und wechselte die Kleidung. Ihre Ärmel waren voller versteckter Taschen, und wie jeden Morgen überprüfte sie alle sorgfältig, um sicherzugehen, dass all ihre Pülverchen an Ort und Stelle waren. Pülverchen, die Feuer grün oder blau oder silbern färbten, Pülverchen, die Flammen aufbrausen und zischen und über Mannshöhe hochschlagen ließen, Pülverchen, die Rauch erzeugten. Einen Rauch für Wahrheit, einen Rauch für Lust, einen Rauch für Angst und den dicken schwarzen Rauch, der einen Menschen an Ort und Stelle töten konnte. Die Rote Priesterin bewaffnete sich mit einer Prise von jedem.
    Die mit Schnitzereien verzierte Truhe, die sie mit über die Meerenge gebracht hatte, war inzwischen zu drei Vierteln leer. Und während Melisandre durchaus über das Wissen verfügte, weitere Pülverchen herzustellen, mangelte es ihr an vielen seltenen Zutaten. Meine Zauber sollten genügen. An der Mauer war sie mächtiger, mächtiger sogar als in Asshai. Jedes Wort und jede Geste besaß hier mehr Macht, und sie konnte Dinge vollbringen, die ihr zuvor nicht möglich gewesen waren. Jeder Schatten, den ich hier gebäre, wird fürchterlich sein, und kein Wesen der Dunkelheit wird ihm widerstehen können. Wo ihr solche Zauberei zu Gebote stand, wäre sie bald nicht mehr auf die schwächlichen Kunststücke von Alchimisten und Pyromantikern angewiesen.
    Sie schloss die Truhe, drehte den Schlüssel und versteckte ihn in einer weiteren geheimen Tasche in ihren Röcken. Im nächsten Moment klopfte es an ihrer Tür. Es war ihr einarmiger Feldwebel, zumindest dem zittrigen Geräusch seines Klopfens nach zu urteilen. »Lady Melisandre, der Herr der Knochen ist gekommen.«
    »Schickt ihn herein.« Melisandre setzte sich wieder auf den Stuhl neben dem Kamin.
    Der Wildling trug ein ärmelloses Wams aus gehärtetem Leder, das mit Bronzenieten besetzt war und darüber einen verschlissenen Mantel in gesprenkeltem Grün und Braun. Keine Knochen. Er war auch in Schatten gehüllt, in Schleier zerrissenen grauen Nebels, die halb zu sehen waren und bei jedem Schritt über sein Gesicht und seinen Körper waberten. Hässliche Dinger. So hässlich wie seine Knochen. Ein spitzer Haaransatz, engstehende dunkle Augen, eingefallene Wangen, ein Schnurrbart, der sich wie ein Wurm über einem Mund voll gebrochener brauner Zähne schlängelte.
    Melisandre spürte die Wärme in ihrer Halsbeuge, wo sich der Rubin regte, als sein Sklave so nahe war. »Ihr habt Euer Knochenhemd abgelegt«, stellte sie fest.
    »Das Rasseln hat mich verrückt gemacht.«
    »Die Knochen beschützen Euch«, erinnerte sie ihn. »Die Schwarzen Brüder lieben Euch nicht. Devan hat mir erzählt, erst gestern hättet ihr euch beim Essen gestritten.«
    »Ein wenig. Ich habe Bohnensuppe mit Speck gegessen, während Bowen Marsh sich wieder für etwas Besseres hielt. Der alte Granatapfel glaubte, ich würde ihn ausspionieren und hat verkündet, er würde es nicht dulden, wenn Mörder ihren Beratungen lauschen. Ich habe geantwortet, wenn das so wäre, sollten sie ihre Beratungen vielleicht nicht am Feuer abhalten. Bowen wurde rot und hat ein paar Mal gegrunzt, aber das war auch schon alles.« Der Wildling setzte sich auf die Fensterkante und zog seinen Dolch aus der Scheide. »Wenn mir irgendeine Krähe ein Messer in die Rippen stoßen will, während ich beim Essen sitze, soll sie es nur versuchen. Hobbs Haferschleim würde mit ein paar Tropfen Blut sicherlich besser schmecken.«
    Melisandre beachtete den blanken Stahl nicht. Wenn der Wildling ihr etwas hätte antun wollen, hätte sie das in den Flammen gesehen. Gefahr für ihr eigenes Leben zu erkennen hatte sie als Erstes gelernt, damals, als sie noch ein halbes Kind gewesen war, ein Sklavenmädchen, auf Lebenszeit an den großen Roten Tempel gebunden. Und noch immer sah sie danach stets zuerst, wann immer sie ins Feuer schaute. »Es sind ihre Augen, die dir Sorgen machen sollten, nicht ihre Messer«, warnte sie ihn.
    »Der Blendzauber, ja.« In der schwarzen

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