09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)
»Zieht die beiden anderen heraus«, befahl er, und vier der Krähen beeilten sich, seinem Befehl zu gehorchen.
Bowen Marschs Wangen waren vor Kälte gerötet. »Wir hätten keine Grenzer ausschicken sollen.«
»Dies ist weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort, um in dieser Wunde zu bohren, Mylord. Nicht hier und nicht jetzt.« Zu den Männern, die sich mit den Speeren abmühten, sagte Snow: »Nehmt die Köpfe und verbrennt sie. Lasst nichts übrig außer den blanken Knochen.« Erst jetzt schien er Melisandre zu bemerken. »Mylady. Kommt mit mir, wenn es Euch recht ist.«
Endlich. » Wenn es dem Lord Kommandanten gefällt.«
Als sie unter der Mauer hindurchgingen, hakte sie sich bei ihm ein. Morgan und Merrel gingen vor ihnen, Ghost trabte hinterher. Die Priesterin sagte kein Wort, verlangsamte jedoch absichtlich den Schritt, und wo sie entlangkam, begann das Eis zu tropfen. Das wird ihm nicht entgehen.
Unter dem Eisengitter eines Mordlochs brach Snow das Schweigen, wie sie vorausgesehen hatte. »Was ist mit den anderen sechs?«
»Ich habe sie nicht gesehen«, sagte Melisandre.
»Werdet Ihr nach ihnen schauen?«
»Gewiss, Mylord.«
»Wir haben einen Raben von Ser Denys Mallister vom Shadow Tower bekommen«, erklärte Jon Snow ihr. »Seine Männer haben auf der anderen Seite des Schlunds Feuer gesichtet. Die Wildlinge sammeln sich dort, glaubt Ser Denys. Er meint, sie werden erneut versuchen, die Schädelbrücke zu überqueren.«
»Manche vielleicht.« Konnten die Schädel in ihrer Vision auf diese Brücke hingedeutet haben? Irgendwie glaubte Melisandre das nicht. »Wenn es dazu kommt, wird der Angriff nur eine Ablenkung sein. Ich habe Türme am Meer gesehen, die von einer schwarzen, blutigen Flut überschwemmt wurden. Dort wird der härteste Schlag niedergehen.«
»Eastwatch?«
War es Eastwatch? Melisandre hatte Eastwatch-by-the-Sea zusammen mit König Stannis besucht. Dort hatte Seine Gnaden Königin Selyse und ihre Tochter Shireen zurückgelassen, als er seine Ritter versammelte, um dann zur Schwarzen Festung zu marschieren. Die Türme in ihrem Feuer hatten anders ausgesehen, aber so etwas kam in Visionen häufig vor. »Ja. Eastwatch, Mylord.«
»Wann?«
Sie breitete die Hände aus. »Morgen. In einem Monat. In einem Jahr. Und es kann sehr gut sein, dass Ihr durch Euer Tun, ganz und gar verhindert, was ich gesehen habe.« Welchen Sinn hätten Visionen sonst?
» Gut«, sagte Snow.
Die Schar der Krähen vor dem Tor war auf drei Dutzend angeschwollen, als sie aus der Mauer kamen. Die Männer drängten sich dicht an sie heran. Melisandre kannte einige dem Namen nach, den Koch Drei-Finger-Hobb, Mully mit dem schmierigen orangefarbenen Haar, den zurückgebliebenen Knaben namens Owen der Ochse und den trinkfreudigen Septon Cellador.
»Stimmt es, M’lord?«, fragte Drei-Finger-Hobb.
»Wer ist es?«, wollte Owen der Ochse wissen. »Nicht Dywen, oder?«
»Und auch nicht Garth«, sagte der Mann der Königin, den sie als Alf aus Dünnschlamm kannte, einen der Ersten, der die sieben falschen Götter gegen die Wahrheit von R’hllor getauscht hatte. »Garth ist zu klug für die Wildlinge.«
»Wie viele?«, wollte Mully wissen.
»Drei«, berichtete Jon. »Der Schwarze Hans, der Haarige Hal und Garth.«
Alf aus Dünnschlamm heulte so laut auf, dass er die Schlafenden im Shadow Tower hätte wecken können. »Bring ihn ins Bett und gib ihm ein wenig Gewürzwein«, trug Jon Drei-Finger-Hobb auf.
»Lord Snow«, sagte Melisandre leise. »Würdet Ihr mich in den King’s Tower begleiten? Es gäbe da noch etwas anderes zu besprechen.«
Er musterte sie lange aus seinen kalten grauen Augen, ballte die rechte Hand zur Faust, öffnete sie und ballte sie wieder. »Wie Ihr wünscht. Edd, bring Ghost in meine Unterkunft.«
Melisandre betrachtete das als Zeichen und schickte ihre eigenen Wachen ebenfalls davon. Gemeinsam gingen sie über den Hof, nur sie beide. Um sie herum fiel der Schnee. Sie ging so dicht an Jon Snow, wie sie nur wagte, nah genug, um das Misstrauen zu spüren, das er ausstrahlte wie schwarzen Nebel. Er liebt mich nicht und wird mich niemals lieben, aber er wird sich meiner bedienen. Gut und schön. Melisandre hatte zu Beginn den gleichen Tanz mit Stannis Baratheon aufgeführt. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, der junge Lord Kommandant und ihr König hatten mehr gemeinsam, als jeder der beiden jemals zugegeben hätte. Stannis war der jüngere Sohn, der im Schatten seines älteren Bruders
Weitere Kostenlose Bücher