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09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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aus einem dunklen Himmel herab, und Asche stieg ihnen entgegen, grau und weiß tanzten sie umeinander herum, während Brandpfeile über eine Holzmauer flogen und tote Wesen lautlos durch die Kälte schlurften, unterhalb einer großen grauen Klippe, wo Feuer in hundert Höhlen brannten. Dann erhob sich der Wind, und der weiße Nebel wallte heran, unglaublich kalt, und eines nach dem anderen erloschen die Feuer. Danach blieben nur noch die Schädel.
    Tod, dachte Melisandre. Die Schädel sind der Tod.
    Die Flammen knisterten leise, und in ihrem Knistern hörte sie den geflüsterten Namen Jon Snow . Sein langes Gesicht schwebte vor ihr, in Zungen aus Orange und Rot gezeichnet, erschien und verschwand wieder und war nur noch als Schemen hinter einem flatternden Vorhang zu erkennen. Jetzt war es ein Mann, dann wieder ein Wolf und anschließend erneut ein Mann. Aber die Schädel waren auch hier, die Schädel waren überall um ihn herum. Melisandre hatte die Gefahr schon früher einmal gesehen und versucht, den Jungen davor zu warnen. Feinde überall um ihn herum, Dolche in der Dunkelheit. Er wollte nicht hören.
    Ungläubige hörten nie, bis es zu spät war.
    »Was seht Ihr, Mylady?«, fragte der Junge leise.
    Schädel. Tausend Schädel und wieder einmal den Bastardjungen. Jon Snow. Wann immer man Melisandre fragte, was sie in ihren Feuern sah, antwortete sie: »Viel und noch viel mehr«, aber das Sehen war nie so einfach, wie es diese Worte vermuten ließen. Es war eine Kunst, und wie alle Künste verlangte sie Meisterschaft, Disziplin und Studium . Und Schmerz, ja, auch Schmerz. R’hllor sprach zu seinen Auserwählten durch das gesegnete Feuer, in einer Sprache aus Asche und Glut und flackernden Flammen, die nur ein Gott wirklich verstehen konnte. Melisandre übte ihre Kunst nun schon unzählige Jahre, und sie hatte den Preis dafür gezahlt. Es gab niemanden, selbst in ihrem Orden nicht, der so viel Geschick darin besaß, die halb enthüllten, halb verborgenen Geheimnisse in den heiligen Flammen zu erkennen.
    Und doch schien sie jetzt gerade nicht einmal in der Lage zu sein, ihren König zu finden. Ich bete um einen Blick auf Azor Ahai, und alles was R’hllor mir zeigt, ist Schnee. » Devan«, rief sie, »etwas zu trinken.« Ihre Kehle war rau und ausgetrocknet.
    »Ja, Mylady.« Der Junge goss ihr einen Becher Wasser aus dem Steinkrug am Fenster ein und brachte ihn ihr.
    »Danke.« Melisandre trank einen Schluck und lächelte den Jungen an. Daraufhin errötete er. Der Junge war halb in sie verliebt, das wusste sie. Er fürchtet sich vor mir, er begehrt mich, und er verehrt mich.
    Trotzdem freute sich Devan nicht darüber, hier zu sein. Der Junge war sehr stolz darauf, dem König als Knappe zu dienen, und es hatte ihn verletzt, als Stannis ihm befohlen hatte, in der Schwarzen Festung zu bleiben. Wie jeder Junge seines Alters träumte er von Ruhm; ohne Zweifel hatte er sich vorgestellt, welchen Heldenmut er bei Deepwood Motte beweisen könnte. Andere Jungen seines Alters waren nach Süden gezogen, um den Rittern des Königs als Knappen zu dienen und an ihrer Seite in die Schlacht zu reiten. Dass er nicht mitgenommen worden war, musste ihm wie ein Tadel erscheinen, wie eine Strafe für einen schweren Fehler, den er oder sein Vater begangen hatten.
    In Wirklichkeit war er hier, weil Melisandre darum gebeten hatte. Die vier ältesten Söhne von Davos Seaworth waren in der Schlacht auf dem Blackwater gefallen, als die Flotte des Königs vom grünen Feuer verzehrt worden war. Devan war der fünfte, und er befand sich hier bei ihr in größerer Sicherheit als an der Seite des Königs. Lord Davos würde sich dafür nicht bei ihr bedanken, genauso wenig wie der Junge selbst, aber ihr schien, Seaworth habe genug Kummer erlitten. Mochte er auch fehlgeleitet sein, so konnte man seine Treue zu Stannis nicht in Zweifel ziehen. Das hatte sie in ihren Flammen gesehen.
    Devan war flink und klug und geschickt, und das war mehr, als sie von den meisten ihrer Diener behaupten konnte. Stannis hatte ein Dutzend Männer zurückgelassen, die ihr zu Diensten standen, während er nach Süden marschierte, doch die meisten waren zu nichts zu gebrauchen. Seine Gnaden brauchte jedes Schwert, daher konnte er lediglich ein paar Graubärte und Krüppel entbehren. Ein Mann war bei der Schlacht um die Mauer von einem Hieb an den Kopf blind geworden, ein anderer war lahm, nachdem ihm sein Pferd beim Sturz die Beine zerschmettert hatte. Ihr Feldwebel hatte

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