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09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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entsetzliche Ächzen des Schiffes und den Geschmack von Wein und Galle. »Ohne-Nase bleibt hier oben.« Wenn die Götter ihn sich holen wollten, würde er lieber ertrinken als an seinem eigenen Erbrochenen ersticken. Und er hörte, wie sich das Segel der Kogge langsam aufplusterte wie das Fell eines großen Tieres, das aus langem Schlaf erwacht, und sich dann mit einem lauten Knall füllte, bei dem alle den Kopf umwandten.
    Der Wind trieb die Kogge vor sich her, ließ sie vom eingeschlagenen Kurs abdriften. Hinter ihnen stapelten sich am blutroten Himmel schwarze Wolken übereinander. Am Vormittag konnte man im Westen Blitze zucken sehen, denen fernes Donnergrollen folgte. Die See wurde rauer, und dunkle Wogen erhoben sich und krachten gegen den Rumpf der Stinkender Haushofmeister . Ungefähr zu diesem Zeitpunkt fing die Mannschaft an, das Segel einzuholen. Tyrion stand mittschiffs im Weg, deshalb kletterte er zum Vorderdeck hinauf, ging in Deckung und genoss den kalten Regen auf seinen Wangen. Die Kogge hob und senkte sich, bockte wilder als jedes Pferd, das er je geritten hatte, ging mit jedem Wellenberg in die Höhe, fuhr dann in die Täler dazwischen hinunter und rüttelte ihn heftig durch. Trotzdem war es hier besser, wo er etwas sehen konnte, als unten in der Kabine ohne Luft.
    Zu dem Zeitpunkt, da der Sturm nachließ, war Tyrion Lannister bis auf die Unterwäsche durchnässt und trotzdem in Hochstimmung … und kurz darauf noch mehr, als er in ihrer Kabine Jorah Mormont betrunken in einer Lache aus Erbrochenem liegen sah.
    Nach dem Essen blieb der Zwerg in der Kombüse und feierte sein Überleben, indem er ein paar Schluck schwarzem Teerrum mit dem Schiffskoch trank, einem großen, schmierigen und lauten Volantener, der in der Gemeinen Zunge nur ein Wort beherrschte (»ficken«), jedoch ein wildes Cyvasse hinlegte, und zwar besonders, wenn er betrunken war. An diesem Abend spielten sie drei Partien. Die erste gewann Tyrion, die folgenden beiden verlor er. Nachdem er entschieden hatte, es sei genug, torkelte er zurück an Deck, um den Rum und die Elefanten aus dem Kopf zu verscheuchen.
    Hella entdeckte er auf dem Vorderdeck, wo er so oft Ser Jorah vorgefunden hatte, an der Reling neben der scheußlichen, halbverrotteten Galionsfigur. Sie schaute hinaus aufs tintenschwarze Meer. Von hinten wirkte sie so klein und verletzlich wie ein Kind.
    Eigentlich wollte Tyrion sie nicht stören, doch es war zu spät. Sie hatte ihn gehört. »Hugor Hügel.«
    »Wenn es dir gefällt.« Wir wissen es ja beide besser. »Tut mir leid, wenn ich dich hier störe. Ich gehe schlafen.«
    »Nein.« Ihr Gesicht war blass und traurig, doch sah sie nicht aus, als hätte sie geweint. »Mir tut es auch leid. Wegen dem Wein. Ihr habt meinen Bruder nicht getötet, und auch nicht den armen alten Mann in Tyrosh.«
    »Ich habe eine Rolle dabei gespielt, allerdings hatte ich keine andere Wahl.«
    »Ich vermisse ihn so sehr. Meinen Bruder. Ich …«
    »Ich verstehe.« Unwillkürlich musste er an Jaime denken. Schätze dich glücklich. Dein Bruder starb, ehe er dich verraten konnte.
    » Ich dachte, ich wollte sterben«, sagte sie, »aber heute, als der Sturm kam und ich dachte, das Schiff würde untergehen, da habe ich … ich …«
    »Du hast erkannt, dass du doch weiterleben möchtest.« An dem Punkt war ich auch schon einmal. Da haben wir noch etwas gemeinsam.
    Sie hatte schiefe Zähne, deshalb lächelte sie für gewöhnlich nicht viel, aber jetzt lächelte sie breit. »Habt Ihr wirklich aus einem Sänger Eintopf machen lassen?«
    »Wer, ich? Nein. Ich bin doch kein Koch.«
    Hella kicherte und klang wie das süße junge Mädchen, das sie war … siebzehn, achtzehn, höchstens neunzehn. »Was hat er denn angestellt, dieser Sänger?«
    »Er hat ein Lied über mich verfasst.« Denn sie war sein heimlicher Schatz, sein Glück und sein Verdruss. Eine Kette und eine Burg sind doch nichts, verglichen mit ihrem Kuss. Es war eigenartig, wie schnell ihm die Worte wieder einfielen. Offensichtlich hatte er sie nie wirklich vergessen. Denn Hände aus Gold sind immer so kalt, doch die Hand einer Frau, die ist warm.
    » Es muss ein schreckliches Lied gewesen sein.«
    »Eigentlich nicht. Es war gewiss nicht der Regen von Castamere , aber manche Verse waren … also …«
    »Wie ging es denn?«
    Er lachte. »Nein. Du willst mich bestimmt nicht singen hören.«
    »Meine Mutter hat uns immer vorgesungen, als wir noch Kinder waren. Für mich und meinen Bruder. Sie

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