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09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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Winterluft. »Wo sind die anderen von euch?«, wollte Bran einmal von Blatt wissen.
    »Sie sind hinunter in die Erde gegangen«, antwortete sie. »In die Steine, in die Bäume. Ehe die Ersten Menschen kamen, war das ganze Land, das ihr Westeros nennt, unsere Heimat, und dennoch gab es auch in jenen Tagen nicht viele von uns. Die Götter haben uns mit einem langen Leben gesegnet, aber nicht mit großer Zahl, damit wir die Welt nicht überschwemmen so wie Hirsche einen Wald überschwemmen, in dem es keine Wölfe gibt, die sie jagen. Das war in der Dämmerung der Tage, als unsere Sonne aufging. Jetzt geht sie unter, und dies ist die Zeit unseres langen Schwindens. Die Riesen sind ebenfalls fast verschwunden, sie, die unser Verderben und unsere Brüder waren. Die großen Löwen aus den westlichen Bergen wurden getötet, die Einhörner sind so gut wie ausgestorben, von den Mammuts gibt es nur noch ein paar Hundert. Die Schattenwölfe werden uns alle überdauern, aber auch ihre Zeit wird kommen. In der Welt, die die Menschen erschaffen haben, ist kein Platz für sie oder für uns.«
    Sie wirkte traurig, als sie das sagte, und das erfüllte auch Bran mit Traurigkeit. Erst später dachte er: Menschen würden nicht traurig werden, sondern zornig. Menschen würden hassen und blutige Rache schwören. Die Sänger singen traurige Lieder, wo Menschen kämpfen und töten würden.
    Eines Tages entschieden sich Meera und Jojen, den Fluss anzuschauen, Blatts Warnung zum Trotz. »Ich möchte auch mitkommen«, sagte Bran.
    Meera blickte ihn traurig an. Der Fluss lag fast zweihundert Meter unter ihnen, der Weg führe über steile Hänge und durch enge Gänge, erklärte sie, und das letzte Stück musste man an einem Seil hinuntersteigen. »Hodor würde es mit dir auf dem Rücken nicht schaffen. Es tut mir leid, Bran.«
    Bran erinnerte sich an eine Zeit, als niemand so gut klettern konnte wie er, nicht einmal Robb oder Jon. Ein Teil von ihm hätte sie gern angeschrien, weil sie ihn zurücklassen wollten, ein anderer Teil hätte am liebsten geweint. Allerdings war er fast ein erwachsener Mann, daher sagte er nichts. Aber nachdem sie aufgebrochen waren, schlüpfte er in Hodors Leib und folgte ihnen.
    Der große Stallbursche wehrte sich inzwischen nicht mehr so sehr gegen ihn wie beim ersten Mal, damals während des Sturms in dem Turm im See. Wie ein Hund, dem aller Widerstand mit dem Stock ausgetrieben worden war, rollte sich Hodor zusammen und versteckte sich, wann immer Bran nach ihm griff. Sein Versteck befand sich irgendwo tief in seinem Innern, in einer Grube, in der nicht einmal Bran ihn berühren konnte. Niemand will dir wehtun, Hodor, sagte er leise zu dem Kindmann, dessen Körper er gestohlen hatte. Ich möchte nur für eine Weile wieder stark sein. Danach gebe ich dir deinen Körper zurück, so wie immer.
    Niemand würde es je erfahren, dass er in Hodors Leib schlüpfte. Bran brauchte nur zu lächeln, zu tun, was man ihm sagte, und von Zeit zu Zeit »Hodor« zu murmeln, und er konnte Meera und Jojen folgen, fröhlich grinsen, ohne dass irgendjemand vermutete, dass es in Wirklichkeit er war. Er kam oft mit, ob sie wollten oder nicht. Am Ende waren die Reets glücklich, dass er mitgekommen war. Jojen konnte zwar recht gut am Seil hinunterklettern, doch nachdem Meera einen blinden weißen Fisch mit dem Froschspeer gefangen hatte und es an der Zeit war, wieder hinaufzuklettern, begannen seine Arme zu zittern, und er schaffte es nicht nach oben. Daher mussten sie ihm das Seil um den Bauch binden, und Hodor zog ihn hinauf. »Hodor«, grunzte er jedes Mal, wenn er zog, »hodor, hodor, hodor.«
    Der Mond war eine Sichel, dünn und scharf wie die Klinge eines Messers. Summer grub einen abgetrennten Arm aus, schwarz und mit Raureif überzogen, dessen Finger sich öffneten und schlossen, während er sich durch den gefrorenen Schnee zog. Es war noch genug Fleisch daran, um seinen leeren Bauch zu füllen, und nachdem er damit fertig war, brach er die Knochen auf, um das Mark herauszuholen. Erst danach erinnerte sich der Arm daran, dass er tot war.
    Bran fraß als Wolf mit Summer und seinem Rudel. Als Rabe flog er mit dem Schwarm, umkreiste den Hügel bei Sonnenuntergang und hielt nach Feinden Ausschau, während er den eisigen Hauch in der Luft spürte. Als Hodor erkundete er die Höhlen. Er fand Kammern voller Knochen, Schächte, die tief in die Erde reichten, einen Ort, wo die Skelette riesiger Fledermäuse kopfüber von der Decke hingen. Er

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