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09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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Tausend und ein Auge hat er, aber es gibt viel zu beobachten. Eines Tages wirst du es wissen.«
    »Was werde ich wissen?«, fragte Bran die Reets anschließend, als sie mit hellen Fackeln in den Händen kamen, um ihn zurück in eine kleine Kammer zu bringen, die von der große Höhle abzweigte. Die Sänger hatten ihnen dort Betten eingerichtet, in denen sie schliefen. »Woran erinnern sich die Bäume?«
    »An die Geheimnisse der alten Götter«, erklärte Jojen Reet. Essen und Wärme und Ruhe hatten ihm geholfen, sich nach den Mühen der Reise wieder zu erholen, doch jetzt wirkte er trauriger, verdrossen, und seine Augen hatten einen abgespannten und ruhelosen Ausdruck angenommen. »Wahrheiten, die den Ersten Menschen bekannt waren, die heute in Winterfell vergessen sind … aber nicht in der nassen Wildnis. In unseren Sümpfen und Pfahlbauten leben wir näher am Grün, und wir erinnern uns. Erde und Wasser, Scholle und Stein, Eichen und Ulmen und Weiden, sie waren vor uns allen da, und sie werden auch noch da sein, wenn wir längst gegangen sind.«
    »So wie du auch«, sagte Meera. Das machte Bran traurig. Und wenn ich nun gar nicht mehr da sein will, wenn ihr gegangen seid? , hätte er beinahe gefragt, doch er schluckte die Worte unausgesprochen hinunter. Er war schon fast ein erwachsener Mann, und er wollte nicht, dass Meera ihn für ein weinerliches Kind hielt. »Vielleicht könnt ihr ja auch Grünseher werden«, sagte er stattdessen.
    »Nein, Bran.« Jetzt klang Meera traurig.
    »Es ist nur wenigen geschenkt, aus diesem grünen Quell zu trinken, während sie noch in sterblicher Gestalt auf der Erde weilen, das Wispern des Laubes zu hören und zu sehen, wie die Bäume sehen, wie die Götter sehen«, sagte Jojen. »Die meisten wurden nicht mit dieser Gabe gesegnet. Mir haben die Götter nur die Grüne Träume geschenkt. Meine Aufgabe bestand darin, dich hierherzubringen. Meine Aufgabe in dieser Geschichte ist erledigt.«
    Der Mond war ein schwarzes Loch am Himmel. Wölfe heulten im Wald und schnüffelten in den Schneewehen nach Totem. Raben stiegen in einer Schar vom Hang auf, stießen schrille Schreie aus und schlugen mit schwarzen Schwingen auf eine weiße Welt ein. Rot ging die Sonne auf und unter und wieder auf und bemalte den Schnee in Rosenrot und Rosa. Unter dem Hügel brütete Jojen vor sich hin, Meera grübelte, und Hodor wanderte durch die dunklen Tunnel mit dem Schwert in der einen und einer Fackel in der anderen Hand. Oder war Bran der Wanderer?
    Niemand durfte es je erfahren.
    In der großen Höhle, die sich über dem Abgrund öffnete, war es pechschwarz, schwarz wie Teer und schwärzer noch als die Federn einer Krähe. Licht war hier nur ein Störenfried, war unerwünscht und unwillkommen und rasch wieder verschwunden; Kochfeuer, Kerzen und Binsen brannten eine Weile, dann erstarben die Flammen, und ihr kurzes Leben erlosch.
    Die Sänger bauten für Bran einen eigenen Thron, einen wie jenen, auf dem Lord Brynden saß, aus weißem Wehrholz mit roten Flecken und toten Äste, die durch lebendige Wurzeln gewoben wurden. Sie stellten ihn in die große Höhle am Rand des Abgrunds, wo das Rauschen laufenden Wasser tief unten in der schwarzen Luft widerhallte. Den Sitz polsterten sie mit weichem grauem Moos. Nachdem sie ihn auf seinen Platz gesetzt hatten, deckten sie ihn mit warmen Fellen zu.
    Dort saß er und lauschte dem heiseren Flüstern seines Lehrers. »Fürchte die Dunkelheit nicht, Bran.« Die Worte des Lords begleitete fernes Rascheln von Holz und Laub, wann immer er den Kopf ein wenig drehte. »Die stärksten Bäume wurzeln in den dunklen Orten der Erde. Dunkelheit wird dein Mantel sein, dein Schild, deine Muttermilch. Dunkelheit macht dich stark.«
    Der Mond war eine Sichel, dünn und scharf wie die Klinge eines Messers. Schneeflocken schwebten lautlos herab und hüllten die Soldatenkiefern und Wachbäume in Weiß. Die Schneewehen wuchsen so hoch, dass sie den Eingang zu den Höhen bedeckten und eine weiße Wand bildeten, durch die sich Summer jedes Mal graben musste, wenn er sich zu seinem Rudel gesellte und mit ihm auf die Jagd ging. Bran streifte in diesen Tagen nicht oft mit ihnen durch das Land, doch manchmal beobachtete er sie nachts von oben.
    Fliegen war sogar noch schöner, als zu klettern.
    In Summers Leib zu schlüpfen, fiel ihm inzwischen so leicht wie früher, ehe er sich den Rücken gebrochen hatte, eine Hose anzuziehen. Den eigenen Leib gegen die nachtschwarzen Federn eines Raben

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