Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
und hören als der kleine Junge, der wie ein Säugling in Windeln als Bündel in dem Korb hockte.
    Wenn Bran es leid war, ein Wolf zu sein, schlüpfte er stattdessen in Hodors Leib. Der sanftmütige Riese wimmerte jedes Mal, wenn er ihn spürte, und er warf dann den zotteligen Kopf von einer Seite zur anderen, aber nicht mehr so heftig wie beim ersten Mal in Königinkron. Er weiß, dass ich es bin, redete sich der Junge gern ein. Inzwischen hat er sich an mich gewöhnt. Trotzdem fühlte er sich in Hodors Leib nicht so richtig wohl. Der große Stallbursche verstand nicht, wie ihm geschah, und Bran schmeckte die Angst am Gaumen seines Mundes. In Summer war es besser. Ich bin er, und er ist ich. Er fühlt, was ich fühle.
    Manchmal spürte Bran, wie der Schattenwolf nach dem Elch schnüffelte und sich fragte, ob er das große Tier erlegen könnte. Summer hatte sich in Winterfell an Pferde gewöhnt, aber dies war ein Elch, und Elche waren Beute. Der Schattenwolf spürte das warme Blut unter dem dicken Fell des Elchs. Allein bei dem Geruch rann ihm der Geifer aus der Schnauze, und dann lief auch Bran beim Gedanken an dickes, dunkles Fleisch das Wasser im Mund zusammen.
    In einer nahen Eiche krächzte ein Rabe, und Bran hörte Flügelschlag, als ein anderer der großen schwarzen Vögel heranflog und neben dem ersten landete. Bei Tag wurden sie nur von einem halben Dutzend Raben begleitet, die von Baum zu Baum flatterten oder auf dem Geweih des Elchs ritten. Der Rest der Schar flog entweder voraus oder blieb weiter zurück. Aber sobald die Sonne unterging, kamen sie auf nachtschwarzen Schwingen herunter und besetzten alle Äste, bis in den Bäumen um sie herum kein Platz mehr frei war. Manche flogen zu dem Grenzer und murmelten ihm etwas zu, und Bran erschien es, als könnte der Mann ihr Krächzen und Kreischen verstehen. Sie sind seine Augen und Ohren. Sie gehen für ihn auf Kundschaft und berichten ihm von Gefahren vor uns und hinter uns.
    So wie jetzt. Urplötzlich blieb der Elch stehen. Der Grenzer schwang sich locker vom Rücken des Tiers und landete in kniehohem Schnee. Summer knurrte ihn an, und sein Fell sträubte sich. Dem Schattenwolf gefiel es nicht, wie Kalthand roch. Totes Fleisch, trockenes Blut und ein leichter Hauch von Verwesung. Und nach Kälte. Überall nach Kälte.
    »Was gibt es denn?«, wollte Meera wissen.
    »Hinter uns«, verkündete Kalthand, dessen Stimme durch den schwarzen Wollschal über Nase und Mund gedämpft wurde.
    »Wölfe?«, fragte Bran. Seit Tagen wurden sie verfolgt, das wussten sie. Jede Nacht hörten sie das klagende Heulen des Rudels, und jede Nacht schienen die Wölfe ein wenig näher gekommen zu sein. Jäger, hungrige Jäger. Sie wittern, wie schwach wir sind. Oft erwachte Bran zitternd in den Stunden vor der Dämmerung und lauschte, wie sie sich in der Ferne riefen, während er auf den Sonnenaufgang wartete. Wo es Wölfe gibt, ist die Beute nicht weit, dachte er dann immer, bis ihm klar wurde, dass sie die Beute waren.
    Der Grenzer schüttelte den Kopf. »Menschen. Die Wölfe halten sich noch von uns fern. Diese Menschen sind nicht so scheu.«
    Meera Reet schob ihre Kapuze zurück. Der nasse Schnee, der sich darauf gesammelt hatte, fiel mit leisem Plumps auf den Boden. »Wie viele? Wer sind sie?«
    »Feinde. Ich kümmere mich um sie.«
    »Ich komme mit.«
    »Du bleibst hier. Der Junge braucht Schutz. Vor uns liegt ein zugefrorener See. Wenn ihr dort ankommt, wendet euch nach Norden und folgt dem Ufer. Ihr werdet an ein Fischerdorf kommen. Dort sucht ihr Unterschlupf, bis ich euch eingeholt habe.«
    Bran dachte, dass Meera widersprechen wollte, aber ihr Bruder sagte: »Tu, was er sagt. Er kennt dieses Land.« Jojens Augen waren dunkelgrün wie Moos, aber sie wirkten so müde, wie Bran sie nie zuvor gesehen hatte. Der kleine Großvater. Südlich der Mauer hatte der Junge aus den Pfahlbauten so weise gewirkt, viel weiser, als es sein Alter hätte vermuten lassen. Hier oben jedoch war er genauso verloren und verängstigt wie die anderen. Trotzdem hörte Meera stets auf ihn.
    So auch jetzt. Kalthand verschwand zwischen den Bäumen und ging den Weg zurück, den sie gekommen waren. Vier Raben flatterten ihm hinterher. Meera schaute ihm nach. Ihre Wangen waren von der Kälte rot, der Atem hing wie Dampf vor ihrer Nase. Sie zog sich die Kapuze wieder über und klopfte mit den Unterschenkeln an den Bauch des Elches. Es ging weiter. Ehe sie zwanzig Schritt hinter sich gebracht hatten, wandte

Weitere Kostenlose Bücher