Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
dagelassen«, sagte sie.
    Das erwies sich als vergebliche Hoffnung. In der Langhalle fanden sie die Asche eines Feuers, einen Boden aus gestampfter Erde und Kälte, die ihnen tief in die Knochen fuhr. Aber immerhin hatten sie ein Dach über den Köpfen und dicke Holzwände, die den Wind fernhielten. In der Nähe gab es einen Bach, der von einer dünnen Schicht Eis überzogen war. Der Elch musste es mit den Hufen aufbrechen, damit er trinken konnte. Nachdem Bran und Jojen und Hodor einen sicheren Platz gefunden hatten, holte Meera ihnen ein paar Eisstücke, an denen sie lutschen konnten. Das Schmelzwasser war so kalt, dass Bran schauderte.
    Summer folgte ihnen nicht in die Langhalle. Bran konnte den Hunger des großen Wolfs spüren, der ein Schatten seines eigenen war. »Geh jagen«, sagte er, »aber lass den Elch in Ruhe.« Ein Teil von ihm wünschte, er könnte ebenfalls auf die Jagd gehen. Vielleicht ja später.
    Das Abendessen bestand aus einer Hand voll Eicheln, die geknackt und zu einem Brei zerdrückt wurden, der so bitter schmeckte, dass Bran würgen musste, als er ihn schlucken wollte. Jojen Reet unternahm nicht einmal den Versuch. Er war jünger und zarter als seine Schwester und wurde jeden Tag schwächer.
    »Jojen, du musst essen«, ermahnte Meera ihn.
    »Später. Zuerst ruhe ich mich aus.« Jojen lächelte dünn. »Heute ist nicht der Tag, an dem ich sterbe, Schwester. Ich verspreche’s dir.«
    »Du bist fast vom Elch gefallen.«
    »Fast. Mir ist kalt, und hungrig bin ich auch, das ist alles.«
    »Dann iss.«
    »Zerdrückte Eicheln? Ich habe schon Bauchschmerzen, und dieser Brei wird sie nur noch schlimmer machen. Lass mich, Schwester. Ich träume von gebratenem Hähnchen.«
    »Träume machen nicht satt. Nicht einmal grüne Träume.«
    »Träume sind alles, was wir haben.«
    Alles, was wir haben. Die letzten Vorräte, die sie aus dem Süden mitgebracht hatten, waren seit zehn Tagen aufgebraucht. Seitdem begleitete sie der Hunger Tag und Nacht. In diesen Wäldern entdeckte selbst Summer kein Wild. Sie lebten von zerquetschten Eicheln und rohem Fisch. Hier gab es überall gefrorene Bäche und kalte schwarze Seen, und Meera konnte mit ihrem dreizackigen Froschspeer so gut fischen wie andere Männer mit Haken und Leine. An manchen Tagen hatte sie blaue Lippen von der Kälte, wenn sie zurück ans Ufer watete und ihnen ihren zappelnden Fang brachte. Es war allerdings drei Tage her, seit Meera den letzten Fisch erwischt hatte. Brans Bauch fühlte sich so leer an, dass es auch drei Jahre hätten sein können.
    Nachdem sie das karge Abendessen hinuntergewürgt hatten, lehnte sich Meera an eine Wand und wetzte ihren Dolch. Hodor hockte sich neben die Tür, schaukelte hin und her und murmelte. »Hodor, Hodor, Hodor.«
    Bran schloss die Augen. Es zwar zu kalt zum Sprechen, und ein Feuer wagten sie nicht anzuzünden. Kalthand hatte sie davor gewarnt. Diese Wälder sind nicht so verlassen, wie es scheint, hatte er gesagt. Ihr könnt nie wissen, was das Licht aus der Dunkelheit anlockt. Bei der Erinnerung daran begann Bran zu zittern, trotz der Wärme, die Hodor neben ihm abstrahlte.
    Der Schlaf wollte sich nicht einstellen, konnte sich nicht einstellen. Stattdessen kam der Wind, die beißende Kälte, das Mondlicht auf dem Schnee und Feuer. Er war wieder in Summer, viele Meilen entfernt, und die Nacht roch nach Blut. Der Gestank war stark. Beute, nicht weit entfernt. Das Fleisch würde noch warm sein. Geifer floss ihm im Maul zusammen, während der Hunger erwachte. Nicht Elch. Nicht Wild. Nicht das.
    Der Schattenwolf bewegte sich auf das Fleisch zu wie ein hagerer grauer Schatten, der von Baum zu Baum schlich, über helle, vom Mond beschienene Stellen und über Schneehaufen. Der Wind fuhr über ihn hinweg und drehte sich. Er verlor die Witterung, fand sie wieder, verlor sie erneut. Während er suchte, hörte er in der Ferne ein Geräusch und stellte die Ohren auf.
    Wolf, wusste er sofort. Summer pirschte sich, jetzt wachsam, an das Geräusch heran. Bald kehrte auch der Blutgeruch zurück, aber jetzt hatten sich andere Gerüche dazugesellt; Pisse und tote Häute, Vogelscheiße, Federn und Wolf, Wolf, Wolf. Ein Rudel. Er würde um sein Fleisch kämpfen müssen.
    Sie witterten ihn ebenfalls. Als er aus der Dunkelheit unter den Bäumen auf die blutige Lichtung trat, beobachteten sie ihn. Das Weibchen kaute auf einem Lederstiefel herum, in dem noch ein halbes Bein steckte, aber sie ließ die Beute fallen, als er sich

Weitere Kostenlose Bücher