09-Die Pfade des Schicksals
brüllte Warnungen, die niemand hören konnte. Andere Riesinnen schrien lautlos, als wären sie plötzlich stumm geworden. Jeremiah schien zu heulen, als müsste er die unaussprechliche Verzweiflung des Croyel ausdrücken.
Mit Mineralstoffen versetzte Wasserschleier durchnässten die Gesellschaft und nahmen Linden die Sicht, weil sie nicht rasch genug blinzeln konnte, um klar sehen zu können. Sie ließ den Stab fallen und rieb sich mit beiden Händen das Gesicht; schlug sich auf Nacken, Brust und Beine.
Bevor das Bergbeben den Stab außer Reichweite rollen lassen konnte, bückte Liand sich, um ihn aufzuheben.
Das Felsband begann abrupt zu erzittern. Es löste sich von der Höhlenwand.
Esmer hielt es auf. Die Kraft, die er bei anderen Gelegenheiten dazu benutzt hatte, Geysire aufsteigen zu lassen, gebrauchte er jetzt dafür, den Fels zu stabilisieren. Ein Schauder durchlief das steile Band, aber es brach nicht ab.
Wasser strömte tosend in die Höhle, ergoss sich wie eine Sturzflut über den sanft abfallenden Höhlenboden. Es hatte das Übel und die Skurj bereits überflutet. Rötliche Feuer und Gewalt glosten in seinen Tiefen, in denen die Monster ums Überleben kämpften; während das Übel zwischen überfluteten Stalagmiten Halt zu finden versuchte. Wie im Fieber zitternd fürchtete Linden, die Skurj würden überleben. Sogar unter Wasser leuchteten ihre Reißzähne noch, als nähmen sie daraus Mineralstoffe auf, um ihre vor Hass glühenden Herzen zu nähren. Um ihr Leben kämpfend wurden sie in den tieferen Bereich der Höhle geschwemmt.
Unabhängig von ihrem Schicksal konnte Linden sich nicht vorstellen, dass eine Macht, die so stark und virulent war wie Sie, die nicht genannt werden darf, einfach ertrinken würde. Trotzdem wischte sie sich die Augen und schlug nach unsichtbaren Insekten und hoffte …
Und manchmal geschieht ein Wunder, das uns erlöst.
Selbst wenn das Übel sich nicht sammeln und noch mal angreifen konnte, hatten Linden und alle ihre Gefährten nicht mehr lange zu leben. Die gewaltige Wasserflut brandete gegen die untere Höhlendwand, brach sich dort und kam schäumend zurück. Und sie stieg gleichzeitig weiter an. Über Jahrhunderte aufgestautes Quell- und Regenwasser aus dem Land würde die Höhle anfüllen, bis alle Luft verdrängt war.
In der Ferne gloste weiter Feuer unter dem Wasser. Blutrote Streifen färbten die Flut; ob sie von den Skurj oder dem Übel stammten, wusste Linden nicht.
Als der neue See anwuchs, veränderte sich auch der Donner. Wasser, das nicht auf Stein, sondern auf eine Wasserfläche fiel, war weniger laut. Linden konnte wieder undeutlich die Stimme der Eisenhand hören.
»Die Skurj ertrinken! Sie ertrinken, aber das Übel lebt weiter! Und das Wasser fließt teilweise in die Verlorene Tiefe ab! Es steigt jetzt viel langsamer!«
Kaltgischt fügte etwas über Zeit und Esmer an, das Linden nicht verstand. Der Eifrige schien mit anderen Insequenten, die unsichtbar blieben, zu diskutieren. Liand und Stave riefen Linden Bitten oder Warnungen zu. Aber in ihre Ohren waren wieder ihr aufgebürdete imaginäre Käfer gekrochen. Sie konnte einzelne Worte nicht von dem Tosen uralter Wassermassen unterscheiden.
Hatte das Steigen des Wasserspiegels sich tatsächlich etwas verlangsamt, war dieser kleine Aufschub unbedeutend. Er machte keinen Unterschied.
Während Spritzwasser in ihren Augen brannte, glaubte Linden zu sehen, dass einige der Unterwasserfeuer erloschen. Aber sie konnte sich ihrer Sache nicht sicher sein. Krabbelnde Insekten nährten sich von ihr; raubten ihr mit kleinen Bissen und Stichen das Leben. Donner und Versagen wurden zu Mattigkeit. Ihre Eltern sprachen lauter als jeder ihrer Gefährten. Mit den Stimmen des Übels kündigten sie ihr Verzweiflung an.
Wie sie hatte Linden ihr Ende verdient. Sie hatte es sich mit Leiden und Unrecht und Schwäche verdient.
Niemand hatte das Recht, Jeremiah leiden zu lassen. Keiner außer Thomas Covenant konnte hoffen, das Land retten zu können. Aber es gab nichts mehr, was Linden für sie hätte tun können.
Sie war nicht einmal überrascht, als die gesamte Oberfläche der schäumenden Flut in Brand geriet.
Bloßes Wasser konnte Ihr, die nicht genannt werden darf, niemals schaden. Die uralten Gifte, mit denen die Wassermassen versetzt waren, schienen sie im Gegenteil zu nähren. Nun hatte sie ihre eigene Antwort auf die Überflutung durch uraltes Wasser gefunden.
Unter dem steilen Felsband standen Chaos und
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