Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
09-Die Pfade des Schicksals

09-Die Pfade des Schicksals

Titel: 09-Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
Linden Avery!«
    Eine Stimme, die sie vielleicht kannte, gab ihr ihren Namen wieder.
    War das möglich? Eigentlich nicht. Sie, die nicht genannt werden darf, hätte das nie gestattet.
    Trotzdem gehörte diese Stimme Pahni. Das Licht auf Lindens Gesicht war Sonnenschein, und sie atmete Luft. Die Flüssigkeit, in der sie trieb, war Wasser, kein konzentrierter Schmerz.
    Sauberes Wasser. Frisches Wasser.
    »Ring-Than, hörst du mich?«
    Kein Zweifel, das war Pahnis Stimme.
    Klatschnasses Haar bedeckte Lindens Gesicht. Wasser lief ihr unabsichtlich in den Mund. Während sie hustete, versuchten Albträume das Tageslicht zu verdunkeln, die Gegenwart ihrer Retter zu verfinstern. Aber sie hatten Linden längst nicht mehr so fest im Griff wie zuvor. Sie wurden mit jedem erkämpften Atemzug schwächer.
    Sie lag irgendwo im Wasser: gerettet und unterstützt.
    »Ring-Than! Hier ist dein Stab!«
    Das Übel konnte sie nicht mehr erreichen.
    Neben ihr fragte Stave: »Kannst du den Ur-Lord retten, Seilträgerin, wenn Linden ihren Stab an sich nimmt? Reicht deine Kraft dafür aus? Er ist wieder zusammengesackt und kann nicht schwimmen. Hilfst du ihm, ist meine Aufgabe einfacher.
    Wir müssen aus der Strömung heraus. Sie wird stärker, und wir könnten nach diesen Felsen in Stromschnellen geraten.«
    Linden spürte keine Strömung. Sie war schwach - oder sie war noch nicht vollständig in ihren Körper zurückgekehrt. Aber sie spürte Covenants Ring, der an seiner Kette um ihren Hals hing.
    »Aye.« Pahnis klare Stimme übertönte das vielstimmige Murmeln fließenden Wassers. »Der Stab ist in der Tat wundervoll. Obwohl ich ihn nur kurz in den Händen gehalten habe, bin ich stärker denn je.«
    »Dann hilf mir«, wies Stave sie an, »während sie wieder zu sich kommt. Wir müssen sie an Land bringen.«
    Linden hörte sie laut und klar. Jetzt begann sie zu verstehen, was die beiden sagten. Der Stab. Ihr Stab. Die Strömung. Schwimmen.
    Und Covenant.
    Sie lebten alle. Gott, sie lebten!
    Vor Anstrengung zitternd zwang sie sich dazu, das Kinn zu heben, und holte tief Luft, ohne Spritzwasser in den Mund zu bekommen. Dann schaffte sie es, die Hände lange genug zu heben, um sich das Haar aus der Stirn zu streichen.
    Sonnenschein. Statt der schrecklichen Finsternis von Höhlen: Sonnenlicht. Die blassen Umrisse von Hügeln. Ein blauer Himmel wie ein Geschenk, das frei von Gewalt war.
    Irgendwo im Hintergrund ihres Bewusstseins hallten Echos der jammernden Stimmen des Übels nach. Aber sie waren nur eine schreckliche Erinnerung.
    Als sie kein Wasser mehr in den Augen hatte, sah sie Pahni neben sich schwimmen. Mit einer Hand hielt ihr die junge Seilträgerin den Stab des Gesetzes hin, ihren mit Runen verzierten ebenholzschwarzen Stab. Mit der anderen umklammerte sie Covenants Schulter, um Stave zu helfen, seinen Kopf über Wasser zu halten.
    Pahni gegenüber sorgte Stave mit kräftigen Beinstößen dafür, dass Linden und Covenant über Wasser blieben.
    Covenant trieb schlaff im Wasser. Sein Kopf hing kraftlos nach hinten. Er wirkte ohnmächtig; verlassen.
    Unter der Oberfläche stiegen dünne Blutfäden von seinen Unterarmen hoch und lösten sich auf. Linden musste ihn gekratzt haben. Wie damals Joan … als Linden vor langer Zeit Covenant kennengelernt hatte, hatte Joan ihm den Handrücken zerkratzt, hatte sein Blut gekostet und war dadurch vorübergehend wieder zur Vernunft gekommen.
    Linden wollte Schwimmbewegungen machen. Sie brauchte Covenant. Sie wollte ihn berühren.
    Aber dazu war sie zu schwach. Zu sehr voller Echos von gequälten Stimmen. Sie konnte nur ihren Stab umklammern und sich treiben lassen.
    Dies war der Stab des Gesetzes, machtvoll durch Erdkraft. Unter dem Melenkurion Himmelswehr hatte sie ihn benutzt, um mehr Macht zu entfalten, als sie sich jemals hätte vorstellen können. Linden hatte sie in Schwärze umgewandelt. Obwohl sie die Runen, mit denen er verziert war, nie hatte lesen können, stand seine Rechtmäßigkeit außer Zweifel. Er gehörte ihr. Auf seine eigene Weise war er ebenso ein Teil ihrer selbst wie das Blut in ihren Adern. Als sie ihre Finger fester um ihn schloss, schien er sie aus einer schrecklichen Abwesenheit zurückzurufen.
    Der Himmel wurde heller, das Wasser kälter. Als die Vitalität des Stabes durch Hände und Arme in ihre Brust floss, nahmen Stave und Pahni immer mehr Gestalt an, bis sie ihr wieder deutlich vor Augen standen. Die gequälten Stimmen versanken wieder in dem Abgrund, aus dem sie

Weitere Kostenlose Bücher