09-Die Pfade des Schicksals
gekommen waren. Der Sonnenschein auf ihrem Gesicht erschien ihr wie das Licht der Auferstehung.
Linden begann instinktiv mit Schwimmbewegungen. Dabei streckte sie eine Hand aus, um Covenant am Arm zu packen. Vielleicht konnte sie Pahni und Stave helfen, ihn vor dem Untergehen zu bewahren.
Wie sie wieder zu seinem Ring gekommen war, wusste sie nicht, aber das war ihr auch egal. Sie wollte an nichts denken, sich an nichts erinnern - außer an Covenant und Sonnenschein, Pahni und Stave.
Dann übernahm Pahni Covenants schlaffen Körper von Stave. Während Stave Linden quer durch die Strömung schob, schwamm die junge Seilträgerin von den Felsen weg und zog dabei Covenant auf dem Rücken liegend hinter sich her.
Mit Staves Hilfe erhob Linden sich hoch genug im Wasser, um zu sehen, dass Pahni auf einen kleinen Strand aus angeschwemmtem Sand in einer Biegung des Baches zuhielt. Der Kontakt mit dem Stab stärkte ihren Gesundheitssinn mit jedem Augenblick weiter. Ihr war undeutlich bewusst, dass sie in einem Tümpel, der tiefer als der übrige Bach war, unter Wasser gedrückt worden war. Das musste Covenant getan haben. Wieso hätten seine Unterarme sonst geblutet? Er musste sie untergetaucht festgehalten haben, weil jeder andere Versuch, sie aus ihren Albträumen zu reißen, gescheitert war.
Covenant hatte eine Möglichkeit gefunden, sie zu retten, als sie selbst nicht dazu imstande gewesen war.
Sie hätte ihn am liebsten umarmt, wenn das möglich gewesen wäre, ohne Pahni zu behindern. Ihr gerettetes Herz sehnte sich danach, ihn in die Arme zu schließen. Das hätte Jeremiah weder in ihrer Umarmung noch in ihrem Herzen ersetzt, aber sie war eine Frau, die berühren und umarmen musste. Sie sehnte sich nach dem Trost, den Körperkontakt brachte. Und Covenant hatte sie gerettet; davon war Linden überzeugt. In seinen Armen würde sie ihre Beteiligung an Ihr, die nicht genannt werden darf, vielleicht vergessen können.
Er war Thomas Covenant; er würde ihr verzeihen. Trotz allem, was sie ihm - und Elena - angetan hatte.
Aber wie sie würde er vielleicht sich selbst nicht vergeben.
Dann sah sie, wie Pahni wieder festen Boden unter die Füße bekam. Die Schultern der Seilträgerin kamen aus dem Wasser; nun konnte sie Covenant leichter hinter sich herziehen. Im nächsten Augenblick begann auch Stave, sich mit Linden zu dem sandigen Uferstück vorzuarbeiten.
Sobald Linden das Bachbett unter ihren Stiefeln spürte, befreite sie sich aus seinem Griff und beeilte sich, Covenant zu folgen. Wasser spritzte, als sie sich mit Händen und Füßen gegen die Strömung voranarbeitete.
Vor ihr machte Pahni halt.
Linden schloss mit fast verzweifelt wirkender Hast zu den beiden auf. Noch bis zur Taille im Wasser stehend warf sie ihren Stab Pahni zu, damit sie Covenant nicht versehentlich mit Erdkraft verletzen konnte. Die junge Frau riss erstaunt die Augen auf, aber sie hob rechtzeitig eine Hand, um den Stab in der Luft aufzufangen.
In einem Ausbruch von Kummer und Sehnsucht warf Linden sich nach vorn. Als sie auf Covenant fiel, umschlang sie ihn mit beiden Armen. Ihre Umklammerung wurde enger, als sehnte ihr Körper sich danach, seinen zu berühren, und ihr Gewicht zog beide unter Wasser.
Linden spürte kaum, wie das Wasser über ihnen zusammenschlug. Stattdessen ließ seine Lepra ihre Nerven unangenehm kribbeln. Die Zerstücklung seines Verstands und seiner Erinnerungen tat ihr weh wie die eisig jammervolle Leere in der Mitte einer Zäsur. Trotzdem existierte er zumindest. Er war real und lebendig: der Thomas Covenant, der sie mit seiner Liebe genährt hatte, bis sie ihn ihrerseits lieben gelernt hatte. Wenigstens vorläufig genügte ihr das.
Ganze Welten konnten gerettet werden, solange Covenant am Leben blieb.
Seine geistige Leere schmerzte sie. Natürlich tat sie ihr weh. In seinem jetzigen Zustand konnte er nicht auf ihre Umarmung reagieren. Teile seines Ichs waren zu benommen, um sie zu erkennen. Trotzdem klammerte sie sich an ihn, als wäre er der Fels, an dem sie ihr eigenes Leben, Jeremiahs Schicksal und die Rettung des Landes verankert hatte.
Und während sie ihn an sich gedrückt hielt, blitzte zwischen ihnen ein Silberfunke auf. Von Covenants Ring ausgehend schien er durch Lindens zerfetzte Bluse zu leuchten, bis er ihre Gesichter mit silbernen Möglichkeiten erhellte. Dann erlosch er ebenso schnell wieder.
Wilde Magie. Nur eine Andeutung, trotzdem … wilde Magie.
Mit einem gewaltigen Ruck, der ihm fast den Atem
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