09-Die Pfade des Schicksals
bei mir bleiben. Wenn ich wieder etwas ansehnlicher bin …« Bei dem Gedanken an ihr strähniges Haar und ihre schmutzige Kleidung verzog sie das Gesicht. »… hilft sie mir, euch zu finden.«
»Auf Befehl meines Mähnenhüters habe ich Thomas Covenants Wünsche zu erfüllen, Ring-Than«, antwortete Pahni. »Ist der Zweifler jedoch einverstanden, bleibe ich sehr gern bei dir.« Ihr Tonfall deutete an, dass sie sich notfalls über Mahrtiirs Befehl hinwegsetzen würde.
»Hol es der Teufel«, seufzte Covenant. »Warum denn nicht?« Linden hörte Bedauern in seiner Stimme. »Nach allem, was du durchgemacht hast, hast du es verdient, eine Zeit lang allein sein zu dürfen.
Komm jetzt, Stave.« Er streckte eine Hand nach der Schulter des Haruchais aus. »Ich bin ziemlich erledigt. Ich glaube nicht, dass ich es ohne deine Hilfe schaffen kann.«
»Geh nur«, murmelte Linden automatisch. Sie wollte, dass er sie allein ließ, wollte ihn am liebsten sogar vergessen. Aus Notwehr war sie darauf fixiert, ein Bad zu nehmen; sie konnte es kaum noch erwarten, ihre Kleidung abzulegen. Auch wenn sie keine Seife hatte, konnte sie den feinen Schwemmsand als Scheuermittel benutzen, um ihren Körper von den vielen Schmutzflecken zu befreien.
Pahni warf Stave einen raschen Blick. »Tu mir den Gefallen, Stave, und bitte sag Liand, dass es mir …« Sie verbesserte sich. »… dass es uns gut geht.«
Linden war vage überrascht, als sie hörte, wie die Seilträgerin mit Stave sprach. Ihre engsten Freunde gingen vertrauter miteinander um als frührer. Hauptsächlich war das bestimmt Staves Verdienst. Er hatte das anfängliche Misstrauen Liands und der Ramen durch seine unbeirrbare Loyalität widerlegt.
»Verlass dich darauf«, sagte Stave, während er sich Covenants Arm über die Schultern legte. »Kommt nach, wenn die Auserwählte so weit ist. Vorläufig gibt es keinen Grund zur Eile.«
»Damit will er sagen«, murmelte Covenant, »dass wir kein Essen haben, sodass ihr gut daran tut, euch eure Kräfte einzuteilen.«
Dann wandten Stave und er sich ab, hielten auf den sandigen Uferstreifen und den nächsten Hügelkamm zu.
Liegt dort Norden?, fragte Linden sich flüchtig. Ja, versicherte ihr Gesundheitssinn ihr. Oder vielmehr Nordwesten. Aber solche Dinge verwarf sie sofort wieder. Ihre Wahrnehmungsgabe war so scharf wie Loriks Krill, und ihr war peinlich bewusst, wie schmutzig ihr Haar, ihr Körper, ihre Kleidung war. Während Stave und Covenant triefendnass aus dem Bach stiegen und den Rückweg antraten, überzeugte sie sich davon, dass Jeremiahs »geheiltes« Rennauto weiter tief in ihrer Tasche steckte. Als Linden ihre schmerzenden Rippen, ihre gebrochene Kniescheibe und ihr zerschrammtes Schienbein untersuchte, zeigte sich, dass alles gut verheilt war. Also hakte sie auch dieses Thema ab.
Während Stave und Covenant hinter dem nächsten Hügelkamm verschwanden, stützte Linden sich im Wasser stehend auf ihren Stab und versuchte, den ersten Stiefel auszuziehen.
Aber das schaffte sie nicht. Ihr Stiefel war voller Wasser und schien an ihr zu kleben; oder sie war zu schwach.
Pahni war sofort neben ihr. »Wenn du gestattest, Ring-Than …« Bevor Linden antworten konnte, tauchte die junge Seilträgerin bereits unter. Weil sie beide Hände gebrauchen konnte, hatte sie keine Mühe, Linden den Stiefel mitsamt der Socke auszuziehen.
Linden wechselte dankbar den Fuß und hielt Pahni den anderen Stiefel hin. Danach richtete die Seilträgerin sich wieder auf, holte tief Luft und wischte sich das Wasser aus den Augen.
»Lass mir einen Augenblick Zeit, Ring-Than, damit ich deine Stiefel zum Trocknen auf einen Felsen stellen kann.« Sie nickte zum Ufer hinüber. »Dann komme ich wieder und wasche deine Kleider, während du badest.«
Linden knöpfte bereits ihre Bluse auf. »Wirf sie einfach ans Ufer. Sind sie später unbequem, fällt mir schon irgendwas ein.«
»Wie du wünschst.« Pahni wandte sich ab und warf LindensStiefel auf den sandigen Uferstreifen. Dann streckte sie eine Hand nach Lindens Bluse aus.
Der rote Flanell war durchlöchert. Linden begutachtete kummervoll die Ein- und Ausschusslöcher vorn und hinten. Vermutlich konnte sie von Glück sagen, dass die Kugel ihren Körper glatt durchschlagen hatte. Sie wusste nicht, wie sie sich selbst geheilt hatte. Wäre das Geschoss in ihrem Körper geblieben …
Indem sie so viele Fehler gemacht, so viele Risiken auf sich genommen hatte, hatte sie Lord Foul anscheinend genau das
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