09-Die Pfade des Schicksals
verschafft, was er wollte. Aber sie weigerte sich, ihre Entscheidungen nachträglich zu hinterfragen. Bedauern war kostspielig; es ließ einen so erschöpft zurück wie jeder Kampf. Wollte Covenant ihre Liebe nicht, konnte er sich zum Teufel scheren. Sie hatte ihren Sohn gefunden. Jetzt würde sie sich darauf konzentrieren, ein Mittel zu finden, um ihn von dem Croyel zu befreien.
Nachdem sie ihre Bluse Pahni überlassen hatte, ging sie leicht in die Hocke, um mühsam ihre Jeans auszuziehen.
Als Linden sie in den Händen hielt, sah sie, dass Nässe oder irgendein Lichtreflex die grünen Grasflecken von der Grenze des Wanderns deutlicher als bisher hervortreten ließ. Die Jeans glichen ihrem Stab: in einer Sprache beschriftet, die Linden nicht lesen konnte.
In der Würgerkluft hatte Caerroil Wildholz über Linden gesagt: Sie trägt die Zeichen von Fruchtbarkeit und hohem Gras. Zudem hat sie den Preis des Schmerzes gezahlt. Und das Siegel der Bedürfnisse des Landes ist ihr aufgedrückt worden. Aus diesen Gründen hatte er sie am Leben gelassen.
Und er hatte sie gebeten, die Last einer Frage auf sich zu nehmen …
Wie kann es im Land weiter Leben geben, wenn die Forsthüter versagen und untergehen, was unvermeidlich ist, und niemand übrig bleibt, um über seine kostbarsten Schätze zu wachen? Wir wurden aufgestellt, um sie statt des Schöpfers zu schützen. Muss es geschehen, dass Schönheit und Wahrheit ganz verschwinden, wenn wir einst nicht mehr sind?
Linden hatte dem altehrwürdigen Wächter der Würgerkluft eine Antwort versprochen, aber sie wusste nicht, wie sie ihr Versprechen jemals halten sollte.
Mit gerunzelter Stirn warf sie ihre Jeans Pahni zu, als wollte sie sich so von ihrer Verantwortung befreien. Ihren Stab klemmte sie zwischen Felsen ein, damit die Strömung ihn nicht mitreißen konnte. Trieb er trotzdem ab, würde Pahni ihn rasch zurückholen.
Bedauern ließ sich abweisen. Verzweiflung war eine andere Sache.
Wie in einem Akt der Selbstverleugnung sank Linden im Wasser auf die Knie, schöpfte feinen Schwemmsand aus dem Bachbett und verteilte ihn in ihrem Haar, auf ihrer Kopfhaut. Dann scheuerte sie sich sauber …
Das tat weh, aber dieser Schmerz war ihr willkommen.
Später saß Linden, die ihre nasse Kleidung, aber weder Socken noch Stiefel trug, auf einem flachen Stein am Bachufer und ruhte sich aus, während ihre Füße die kühle Liebkosung des strömenden Wassers genossen. Ihre Haut fühlte sich wie mit grobem Sandpapier behandelt an, und auf dem Kopf hatte sie sogar ein paar blutende Stellen. Aber das machte ihr kaum etwas aus. Im Vergleich zu allem anderen waren solche Schmerzen belanglos.
Ihre Socken lagen zum Trocknen neben ihr auf dem Stein. Die Stiefel ließ sie vorerst liegen, wo Pahni sie hingeworfen hatte. Der Stab des Gesetzes lag quer über ihren Knien. Mit den Fingern fuhr sie die eingeschnittenen Runen nach. Sie konnten alles Mögliche bedeuten, aber Linden wollte glauben, sie seien eine Prophezeiung von Hoffnung.
Von Kevins Schmutz unbehindert, musste sie mit ihrem Stab und Covenants Ring eigentlich zu fast allem imstande sein. Bestimmt konnte sie für Jeremiah hier mehr tun als in der Verlorenen Tiefe?
Mit untergeschlagenen Beinen und sehr aufrecht saß Pahni in Lindens Nähe auf einem weiteren flachen Stein. Auch sie hatte gründlich gebadet. Jetzt starrte sie mit Anspannung in den Schultern und Schatten im Blick in das vorbeiströmende Wasser.
Linden konnte noch nicht wieder klar denken und mitfühlen. Pahnis Konfliktsituation war jedoch unübersehbar. Innerlich seufzend forderte Linden sie ruhig auf: »Erzähl mir, was dich bedrückt, Pahni. Ich könnte versuchen, es zu erraten, aber es ist besser, wenn du es mir einfach erzählst.«
»Ach, Ring-Than«, antwortete die junge Frau ebenfalls seufzend. »Ich bin nur ein unbedeutendes kleines Wesen inmitten der Großen und der Schrecken der Welt. Meine Sorgen sind es nicht wert, dass du dich mit ihnen abgibst.«
Fass mich nicht an.
Dann wandte die Seilträgerin sich ihr zu. Indem sie Lindens Blick freimütig erwiderte, sagte Pahni: »Aber Liand ist kein unbedeutendes Wesen. Ganz sicher nicht. Er ist der erste wahre Steinhausener seit Jahrhunderten, Träger des wundersamen Sonnensteins und …« Ihre Stimme stockte einen Augenblick. »… und mein Geliebter. Seine Kühnheit und Tapferkeit sind der Stoff, aus dem Riesen-Sagen gemacht werden. Sogar die Ranyhyn sollten davon hören. Um seinetwillen will ich jetzt
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