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09-Die Pfade des Schicksals

09-Die Pfade des Schicksals

Titel: 09-Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Kopf zu schlagen oder ihm anzudrohen, ihn zu heilen. Oder Besitz von ihm zu ergreifen. Sie wusste aus Erfahrung, dass solche Methoden mehr schaden als nützen konnten. Wie die Herrschaft des Croyel über Jeremiah - wenn auch mit ganz anderem Zweck - hätten sie seine persönliche Freiheit beschnitten.
    Außerdem hatte er nachdrücklich versichert, er wolle ein Leprakranker bleiben: leidend und gefühllos und behindert. Aus ihr unbegreiflichen Gründen klammerte er sich an seine Krankheit, als definierte - oder schützte - sie ihn.
    Hätte Linden versucht, Covenant ihren Gesundheitssinn und ihre Heilkraft aufzuzwingen, hätte sie ihn unabsichtlich beschädigen, ihn vielleicht um lebenswichtige Erinnerungen bringen können. Oder sie hätte ähnlich verwirrt enden können wie er.
    Sie durfte nicht wieder zulassen, dass sie die Warnungen der Ranyhyn vergaß.
    Weil sie sich ihrer selbst nicht sicher war, gesellte sie sich zu Stave und Mahrtür. Der ehemalige Meister schien nicht weiter auf Covenants unruhigen Schlaf zu achten, aber der Mähnenhüter beobachtete den Zweifler mit gespannter Aufmerksamkeit.
    »Wir müssen ihn irgendwie erreichen«, sagte sie ohne lange Vorrede. »Wir sind hier hilflos, und diese Atempause kann nicht lange anhalten. Wir haben wichtige Entscheidungen zu treffen. Aber das können wir nicht ohne ihn.«
    »Mit deiner Erlaubnis, Ring-Than«, antwortete Mahrtür halblaut, »will ich es versuchen. Ich habe den Zeitenherrn so genau studiert, wie meine Sinne es zulassen. Und ich kenne alle Sagen der Ramen über seine lange Vergangenheit. Vielleicht gelingt es mir, ihn in die Gegenwart zurückzuholen.«
    »Bitte«, sagte Linden sofort. »Fast alles ist einen Versuch wert.«
    Nichts, wozu Mahrtür imstande war, würde Covenant schaden können.
    Der Mähnenhüter nickte. Um den Hals trug er noch immer seine aus Amanibhavam geflochtene Girlande. Sie war ausgefranst und wies Blutflecken auf, ihre gelben Blüten waren verwelkt, aber sie hielt weiter zusammen. Das langfasrige Gras war zu einem festen Seil geflochten. Mahrtür knipste eine trockene Blüte ab und zerrieb sie in seiner Handfläche zu Pulver. Selbst das vertrocknete Gras gab einen anregenden Duft ab, der Linden sofort in die Nase stieg.
    »Frisch gepflückt«, sagte Mahrtür förmlich, »ist Amanibhavam nur für die Ranyhyn genießbar. Trotzdem hat es viele gute Eigenschaften. Der Sage nach hat der erste Ring-Than davon gegessen, ohne daran zu sterben. Allerdings hat er den Verstand verloren. Aber im Wald von Morinmoss ist er wieder zu sich gekommen. Ich hoffe sehr, dass der Duft des Grases ihn wecken und zu sich selbst zurückführen wird.«
    Er kniete neben Covenant nieder und schloss ihm mit der freien Hand sanft den Mund. Dann hielt er ihm die Handfläche mit Amanibhavam unter die Nase und wartete.
    Die Wirkung trat rasch ein. Covenant, der im Schlaf ein finsteres Gesicht machte, wich so ruckartig zurück, dass er sich den Kopf an dem Felsblock anschlug. Seine Augen flogen auf. »Hölle und Blut«, flüsterte er. »Diese Frau hat mich geheilt. Ich habe sie umgebracht, glaube ich.«
    Im Salva Gildenbourne hatte Anele ihr erklärt: Der Morinmoss hat das Bündnis, den Weißgoldträger erlöst. Der Alte hatte offenbar recht gehabt. Wieder einmal.
    Während Linden ihn beobachtete, blinzelte Covenant Erinnerungen aus seinem Blick und kehrte in die Gegenwart zurück.
    Heute sind diese Tage vergessen.
    »Linden«, sagte er heiser. »Ich freue mich, dass mit dir alles in Ordnung ist.« Dann fuhr er zusammen und rieb sich vorsichtig den Hinterkopf. Dabei lächelte er beinahe. »Vielleicht schlägst du nächstes Mal weniger fest zu.«
    Alle einstige Größe ist vergessen.
    Im nächsten Augenblick runzelte er nochmals die Stirn. »Nein, warte. Du hast mich nicht geschlagen. Das war Amanibhavam. Ich erinnere mich an den Geruch. Und an den Morinmoss.« Während er sich weiter den Hinterkopf rieb, murmelte er: »Ich muss ihn mir selbst angeschlagen haben.«
    Als ihre erste Erleichterung abklang, sagte Linden sich, dass sie nicht so überrascht hätte sein sollen. Schließlich hatte sie schon bei anderen Gelegenheiten gesehen, welche Wunder Amanibhavam bewirken konnte. Das Gras war nur eine der vielen Segnungen, an denen das Land so reich war. Die einzige wirkliche Überraschung war, dass Mahrtiirs vertrocknete Girlande noch so wirksam war.
    »Das freut mich auch.« Sie versuchte, wie Covenant zu lächeln. Aber das schaffte sie nicht. Fass mich einfach

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