09 - Old Surehand III
konnte!“
„Du willst mich wieder ärgern! Aber das tut nichts; ich bin und bleibe dein bester, treuster Freund. Wir werden teilen!“
„Was? Das Baby?“
„Nein, sondern nur die Andenken an das liebe Kind. Sag, alter Pitt, willst du die Hälfte davon haben?“
Da zog Holbers seine süßesten Lächelfalten zusammen und rief aus: „Du wirst doch nicht, liebster Dick!“
„Warum nicht? Weißt du noch, was Winnetou vorhin sagte?“
„Nun, was?“
„Old Shatterhand und Winnetou sind nicht zwei Personen, sondern eine; es ist also ganz gleich, wer die Trophäen bekommt. So ist es auch mit uns beiden: Dick Hammerdull und Pitt Holbers sind ein Leib und eine Seele; nämlich der Leib bist du und die Seele bin ich. Geben wir also dem Leib die eine Hälfte und der Seele die andere Hälfte von den hübschen Babysachen! Einverstanden?“
Er streckte ihm die Hand hin. Holbers schlug ein und antwortete:
„Yes, einverstanden! Du bist doch ein guter Kerl, alter Dick!“
„Du bist auch nicht ohne! Leib und Seele müssen zusammenhalten; also ärgere mich nicht mehr; dann bleib ich dir bis in den Tod getreu!“
Man wußte wirklich nicht, ob man sich gerührt fühlen oder über die beiden sonderbaren Kerle lachen sollte. Die dicke Seele in dem langen, dünnen Leib war ein köstliches Bild der unzertrennlichen, aber so oft uneinigen Zweieinigkeit.
Natürlich war diese Besprechung über die Preisverteilung so unter uns vorgenommen worden, daß die Utahs nichts davon hörten. Sie mochten auch ferner überzeugt sein und es weitererzählen, daß Old Surehand an einem Tag vier graue Bären erlegt habe. Sie verhielten sich, seit wir sie gebunden hatten, außerordentlich schweigsam; sie sprachen weder miteinander, noch kam es ihrem Häuptling bei, ein Wort an uns zu richten. Das war uns übrigens ganz lieb, denn wir hatten während der vergangenen Nacht nur wenig geschlafen und bedurften der Ruhe. Es wurde, um die Beleuchtung des Lagers zu vereinfachen, ein einziges großes Feuer angezündet, an welchem wir uns unser Abendessen, bestehend aus gebratenem Bärenfleisch, bereiteten, und während wir aßen, teilten wir die Wachen aus. Die erste erbat ich für mich, weil ich mich doch etwas überanstrengt hatte und mich die Wunde heute mehr als gestern schmerzte, was ich aber nicht sagte. Ich wollte dann versuchen, in einem fort zu schlafen.
Was die Wachen betrifft, so versuchten wir ein Arrangement, welches im wilden Westen wohl noch niemals vorgekommen war: die Gefangenen mußten sich daran beteiligen. Wir hatten zusammen rund sechzig Pferde, welche während der Nacht zusammenzuhalten waren; das konnten die Utahs übernehmen, von denen von Stunde zu Stunde zwei losgebunden und dann wieder gefesselt wurden. Eine Gefahr für uns gab es nicht dabei; sie hatten ja keine Waffen, und da sie wußten, daß sie früh schon wieder frei sein würden, hatten wir von ihnen keine Unannehmlichkeiten zu erwarten.
Als sich die andern Gefährten zur Ruhe gelegt hatten, setzte sich Old Surehand zu mir und sagte:
„Erlaubt, daß ich mich an Eurer Wache beteilige! Ich habe die ganze Nacht geschlafen und bin noch munter wie ein Fisch im Creek. Die Freude über unser Zusammentreffen hält mich wach. Wir haben uns zwar schon heut vormittag gar manches erzählt, aber mit Euch allein ist's doch eine andre Sache. Ihr seid bei Wallace in Jefferson City gewesen. Hattet Ihr noch jemand mit bei ihm?“
„Nein; ich war natürlich allein“, antwortete ich.
„Ihr seid sein Gast gewesen?“
„Ich sollte, habe es ihm aber abgeschlagen.“
„Warum?“
„Weil wir da doch von Euch mehr gesprochen hätten, als grad notwendig war. Ich wollte von ihm nichts weiter wissen als Euer gegenwärtiges Ziel und Eure Reiseroute.“
„Und es ist auch bloß davon gesprochen worden?“
„Ja.“
„Ich danke Euch, Sir!“
„Bitte! Ah, hättet Ihr mir zutrauen können, daß ich Fragen ausgesprochen habe, die mir nur im Fall Eures Todes erlaubt gewesen wären?“
„Nein, auf keinen Fall! Aber Wallace könnte euch gegenüber mitteilsam geworden sein. Wer mit Euch spricht, dem geht das Herz leicht auf; das habe ich ja an mir selbst erfahren.“
„Ich versichere Euch, daß nicht ein Wort gefallen ist, welches auch nur im entferntesten auf ein Geheimnis angespielt hätte!“
„Ich glaube Euch, Mr. Shatterhand. Glaubt mir, wenn ich reden dürfte, so würdet grad Ihr der erste sein, dem ich mich mitteilte; es gibt aber Verhältnisse, welche mich zum Schweigen
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