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09 - Old Surehand III

09 - Old Surehand III

Titel: 09 - Old Surehand III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zwingen.“
    „Ich weiß, daß Ihr Vertrauen zu mir habt; darum möchte ich mir dennoch und trotzdem eine Frage erlauben.“
    „Sprecht sie aus!“
    „Müßt Ihr wirklich und unter allen Umständen schweigen?“
    „Jetzt ist mir das Reden noch verboten, doch können allerdings Umstände eintreten, welche es mir erlauben.“
    „Hm! Ich bin älter und vielleicht auch erfahrener als Ihr und fühle mich zu einer Bemerkung fast verpflichtet: Ich habe Fälle erlebt, in denen ein erzwungenes Schweigen, ja ein Schweigen auf Ehrenwort, eine Sünde, ein Verbrechen war. Hoffentlich gehört Eure Verschwiegenheit nicht in diese Kategorie der Diskretionen?“
    „Nein; ich bin rein und frei von aller Schuld.“
    „Steht Euer jetziger Ritt mit dem Geheimnis in Beziehung?“
    „Alle meine Wanderungen beziehen sich darauf.“
    „Ich vermute: Ihr sucht etwas; Ihr sucht jemand; Ihr wollt Helligkeit in irgendein Dunkel bringen. Denkt, wie weit ich in den Staaten und im wilden Westen herumgekommen bin! Wäre es denn gar nicht möglich, daß grad ich etwas für Euch Wichtiges erfahren hätte, daß grad ich Euch einen Fingerzeig geben könnte, wenn ich nur eine Andeutung von Euch bekäme?“
    „Nein; das ist nicht denkbar, Mr. Shatterhand. Das, was mir am Herzen liegt, steht Euch so fern, kann Euch gar nie berühren.“
    „Kann mich gar nie berühren? Well! Aber wenn es nun umgekehrt wäre, wenn ich es berührt hätte, zufälligerweise berührt hätte?!“
    „Das ist nicht der Fall. Glaubt mir, das ist nicht der Fall!“
    „Und doch möchte ich Euch so gern helfen, die Last, welche auf Euch liegt, von Euch zu werfen!“
    Da rückte er schnell von mir ab und sagte in beinahe schroffem Ton:
    „Last? Mr. Shatterhand, ich trage keine Last! Ich bitte Euch, dringt nicht in mich; es gelingt Euch doch nicht, mich zum Reden zu bringen!“
    „Ah, welche Worte, lieber Freund! Es fällt mir nicht im geringsten ein, etwas aus Euch herauszulocken, hört Ihr, zu locken, was Ihr für Euch behalten wollt und müßt! Ich habe aus reiner, herzlicher Teilnahme, nicht aber aus Neugierde gesprochen. Diese Versicherung gebe ich Euch, und ich denke, daß Ihr mir das glauben könnt.“
    „Ich glaube es. Nun bin ich aber doch müde geworden und will mich niederlegen. Ich wünsche Euch gute Nacht, Mr. Shatterhand!“
    „Gute Nacht!“

Er suchte sich einen bequemen Platz und legte sich dort nieder. So plötzlich fühlte er sich ermüdet? Er war verstimmt. Wie konnte er, der mich doch kennen mußte, mein aufrichtiges Mitgefühl für Auf- und Zudringlichkeit halten, wie sich durch meine gut gemeinte Hilfsbereitschaft von mir abstoßen lassen! Der Mann, der Charakter in mir, wollte beleidigt tun, der Mensch in mir aber, das alte, gute, deutsche Gemüt, überwand die aufsteigende Bitterkeit. Wer an Geheimnissen zu tragen, vielleicht schwer zu tragen hat, ist nicht glücklich zu nennen, und jeder Unglückliche hat Anspruch auf Schonung und Entschuldigung. Die schroffe Zurückweisung des Freundes war verziehen.
    Als meine Wache zu Ende ging, sorgte ich für die Ablösung der beiden Utahwachen und weckte dann Apanatschka als den mir nachfolgenden auf. Ich war müde, sehr müde; aber ich grübelte trotzdem noch lange an der Enthüllung des Geheimnisses, welche mir verboten war, und noch im Einschlafen dachte ich an ein Felsengrab im Hochgebirge und hörte an demselben eine klagende Frauenstimme nach ihrem Wawa Derrick rufen. Ich träumte auch von diesem Grab, um welches sich kämpfende Gestalten bewegten, doch als ich früh erwachte, konnte ich mich keiner derselben entsinnen. – – –

VIERTES KAPITEL
    Am Devils-Head
    Nun befanden wir uns hoch oben in den eigentlichen Rocky Mountains und ritten an der östlichen Seite des Pah-sawehre-payew (Berg des grünen Wassers) hinan. Das Riesenpanorama, in welchem wir Zwerggeschöpfe uns bewegten, war ein überwältigend großartiges. Hier wirkte die ungeheure Massigkeit der Gebirgsstöcke im Verein mit dem Farbenreichtum der unbekleideten Felsen. Das waren himmelhohe und meilenlange Granitmauern mit wunderbar gestalteten Bastionen, über welche es kein Hinüberkommen zu geben schien. Wenn wir, uns umwendend, rückwärts blickten, lag im Osten die weite Prärie wie ein endloser, flimmernder See tief, tief zu unsern Füßen. Die Bäche rauschten um uns wie zu Schaum gewordenes, flüssiges Silber dahin; Frau Flora stieg, gekleidet in ihr reich nuanciertes, grünes Sammetgewand und ihr Haupt mit Gold gekrönt,

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