09 - Vor dem Tod sind alle gleich
abzuholen?«
»Er hat es mir überlassen, hier raufzukommen«, wiederholte Eadulf und blieb damit weiter bei der Wahrheit.
»Ich stehe schon seit zwei Stunden hier rum. Es ist kalt, und ich wußte nicht mehr, ob er mich hier bei Darach Carraig oder bei Dalbachs Hütte treffen wollte. Na, jedenfalls bist du jetzt hier.«
»Gabrán hat mir nicht gesagt, daß ich früher hier sein sollte.« Eadulf faßte plötzlich Mut, denn das mußte wohl der Mann mit der Ware sein, den Gabrán suchte, als er vorhin zu Dalbachs Hütte gekommen war. Anscheinend hatte der Mann die fast gleichen Namen Darach und Dalbach durcheinandergebracht.
»Sieht ihm ähnlich, anderen Leuten die Arbeit zu überlassen«, knurrte der Mann. Dann runzelte er die Stirn. »Du bist Ausländer, nicht wahr?«
Eadulf spannte sich leicht.
»Angelsachse, das höre ich an deinem Akzent«, fuhr der Mann mißtrauisch fort. Dann zuckte er die Achseln. »Na, kann mir egal sein. Ich nehme an, du bringst die Ware den ganzen Weg von hier bis ins Land der Angelsachsen, was?«
Eadulf beschränkte sich auf ein paar unverständliche Laute.
»Na«, redete der Mann weiter, »es ist kalt und spät, und ich will mich nicht länger hier rumtreiben als unbedingt nötig. Diesmal sind’s bloß zwei. Ich glaube, in Zukunft muß ich mich weiter weg umtun. Du hast wohl deinen Karren unten am Berg gelassen? Hat dir Gabrán nicht gesagt, daß der Weg bis hier oben rauf befahrbar ist? Na, es geht auch so, weil’s bloß zwei sind. Ich treffe Gabrán in Cam Eolaing, wenn er von der Küste zurückkommt, aber wenn du ihn siehst, dann sag ihm, es wird schwierig. Bezahlen kann er mich, wenn er zurück ist. Doch der Preis wird höher.« Eadulf nickte wie zur Zustimmung. Weiter blieb ihm nichts übrig bei diesem absurden, verwirrenden Gespräch.
»Bist in Ordnung. Sie sind in der Höhle wie immer. Gabrán hat dir erklärt, wo sie ist?«
Eadulf zögerte und schüttelte den Kopf. »Nicht genau«, sagte er.
Der Mann stöhnte ungeduldig, drehte sich um und zeigte ihm die Richtung. »Diesen Weg zweihundert Meter weiter, Freund. Rechts oben am Berg siehst du die kleine Felswand, die Granitklippe. Die Öffnung der Höhle kannst du nicht verfehlen. Da drin ist die Ware.«
Der Mann blickte zum Himmel auf und zog den Kragen fester zu. »Bald wird’s regnen, vielleicht mit Graupel bei dieser Kälte. Ich muß los. Vergiß nicht, Gabrán zu berichten, was ich dir gesagt habe. Es wird schwierig.«
Er ging zu seinem Karren und kletterte rasch auf den Sitz. Er zog an den Leinen und lenkte das Gefährt auf einen schmalen, fast nicht erkennbaren Weg, der nach Osten über die welligen Berge abzweigte.
Verwirrt schaute Eadulf ihm nach.
Der Mann hatte ihn offensichtlich für einen von Gabráns Leuten gehalten. Er fragte sich, was für eine Ware der wohl in dieser gottverlassenen Gegend abholen sollte. Darach Carraig – der Eichenfelsen. Ein merkwürdiger Name. Er blickte zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. Gabrán hatte gesagt, er werde jemanden schicken, der die Ware suchen sollte. Vielleicht war der dicht hinter ihm? Er sollte sich lieber rasch fortmachen, damit man ihn nicht einholte.
Eilig marschierte er auf dem Weg weiter. Er mußte wohl im Geiste zweihundert Meter abgezählt haben, denn er blieb stehen und schaute nach rechts auf den Berg. Nicht viel höher sah er Felsbrocken verstreut am Hang liegen, und dort war die Seite des Berges ausgehöhlt und bildete eine kleine Granitklippe. Er zögerte und spürte eine unüberwindliche Neugier. Er könnte doch wenigstens nachsehen, was für eine eigenartige Ware Gabrán erwartete und warum sie in einer einsamen Höhle in einer noch einsameren Gegend des Landes hinterlegt wurde. Er schaute sich um. In der öden, sich verfinsternden Landschaft war niemand zu sehen.
Eadulf kletterte empor zu den Felsen, und hinter dem größten Granitbrocken entdeckte er ein klippenähnliches Stück schwarzen Felsen, das so unnatürlich aussah, als sei es von Menschenhand geformt worden.
Als er ihm näher kam, erkannte er den dunklen Eingang zu einer Höhle mit einer ebenen Felsplatte davor.
Dort verharrte Eadulf einen Moment, um Atem zu schöpfen nach dem kurzen, aber steilen Aufstieg, bevor er den nächsten Schritt tat. Die Höhle lag im Halbdunkel. Er spähte in den finsteren Hintergrund und wartete, bis sich seine Augen an das schwache Licht gewöhnt hatten.
Ein plötzliches und ungewöhnliches Scharren ließ ihn zurückprallen in dem Glauben,
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