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09 - Vor dem Tod sind alle gleich

09 - Vor dem Tod sind alle gleich

Titel: 09 - Vor dem Tod sind alle gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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ein Tier halte sich darin verborgen. Dann sah er, woher es kam, und vor Erstaunen blieb ihm der Mund offen.
    Am hinteren Ende der Höhle saßen zwei menschliche Gestalten auf dem Boden, den Rücken an die Felswand gelehnt. An ihrer Haltung erkannte er, daß sie an Händen und Füßen gefesselt waren, und bei näherem Hinsehen merkte er, daß sie auch geknebelt waren. Es waren schmächtige Gestalten, so viel konnte er in der Dunkelheit feststellen, mehr aber nicht.
    »Wer ihr auch seid«, rief er ihnen laut zu, »ich will euch nichts tun.«
    Er ging auf sie zu.
    Sofort erhob sich ein ersticktes, jammervolles Stöhnen, und die ihm zunächst sitzende Gestalt schien sich von ihm wegzukrümmen, wenn sie sich auch wegen der Fesseln nur wenig bewegen konnte.
    »Ich will euch nichts tun«, wiederholte Eadulf. »Ich muß euch aber ans Licht bringen, damit ich euch sehen kann.«
    Er kümmerte sich nicht um die tierartigen Laute, die seine Bewegungen begleiteten, beugte sich nieder und hob die nächste, sich windende, gefesselte Gestalt an. Halb trug, halb schleifte er sie zum Höhleneingang.
    Zwei große, angstvolle Augen starrten ihn über dem schmutzigen Lappen an, der als Knebel diente.
    Entsetzt trat Eadulf einen Schritt zurück.
    Es war das Gesicht eines Mädchens von nicht mehr als zwölf oder dreizehn Jahren, das ihm voller Furcht entgegenschaute.
    *
    »Nun, Äbtissin Fainder«, sagte Fidelma langsam, während sie das Blutbad vor sich betrachtete, »ich glaube, du hast eine Menge zu erklären.«
    Äbtissin Fainder erwiderte ihren Blick beinahe verständnislos. Dann schaute sie hinab auf den Leichnam Gabráns neben sich und auf das Messer in ihrer Hand. Mit einem seltsamen, tierartigen Stöhnen ließ sie das Messer fallen und sprang auf. Ihr Blick flackerte wild.
    »Er ist tot«, sagte sie heiser.
    »Das sehe ich«, antwortete Fidelma grimmig.
    »Warum?«
    »Warum?« wiederholte die Äbtissin wie betäubt.
    »Warum ist er tot?« drang Fidelma in sie.
    Die Äbtissin blinzelte und starrte sie an, als verstünde sie nichts. Es dauerte etwas, bis sie ihre Sinne beisammen hatte.
    »Woher soll ich das wissen?« begann sie und brach dann ab. »Du denkst doch nicht, daß ich…? Ich habe ihn nicht getötet!«
    »Bei allem schuldigen Respekt, Äbtissin Fainder«, schaltete sich Dego ein, der Fidelma über die Schulter schaute, »wir sind gerade an Bord gekommen, haben die Kajütentür geöffnet und sehen Gabrán tot daliegen. Bei dem vielen Blut ist es klar, daß er erstochen wurde. Du kniest an seinem Kopf. Deine Kleidung ist blutverschmiert, und du hast ein Messer in der Hand. Wie sollen wir diesen Anblick deuten?«
    Die Äbtissin schien zu sich zurückzufinden. Sie starrte Dego zornig an.
    »Wie kannst du das wagen! Wer bist du, daß du die Äbtissin von Fearna eines gewöhnlichen Mordes beschuldigen willst?«
    Als Fidelma die Situation bedachte, verzog sich ihr Mund in bissiger Ironie.
    »Kein Mord ist gewöhnlich, Äbtissin, und dieser Mord am wenigsten. Nur ein Narr könnte das Offensichtliche übersehen. Willst du uns tatsächlich erzählen, du hättest nichts damit zu tun?«
    Äbtissin Fainders Gesicht wurde bleich.
    »Ich habe es nicht getan.« Ihre Stimme brach vor Erregung.
    »Das sagst du. Komm heraus aufs Deck, und erkläre es mir.«
    Fidelma trat von der Tür beiseite und winkte der Äbtissin, die Kajüte zu verlassen. Fainder ging auf das Deck hinaus und blinzelte ins Tageslicht.
    »Es ist niemand weiter an Bord«, berichtete Enda mit etwas boshafter Freude. Er hatte das Schiff flüchtig abgesucht. »Du bist anscheinend allein hier, Mutter Äbtissin.«
    Äbtissin Fainder setzte sich plötzlich auf einen Lukendeckel, schlang die Arme um den Leib, beugte sich vor und schaukelte leicht hin und her. Fidelma setzte sich neben sie.
    »Das ist eine schlimme Sache«, sagte Fidelma sanft nach einer kurzen Pause. »Je eher wir eine Erklärung bekommen, desto besser.«
    Äbtissin Fainder hob das Gesicht und schaute sie verängstigt an.
    »Erklärung? Ich habe dir doch gesagt, daß ich es nicht getan habe! Was willst du noch für eine Erklärung?«
    Es schwang so viel von ihrem früheren Ton in ihrer Stimme mit, daß Fidelma ungeduldig den Mund verzog.
    »Glaub mir, Mutter Äbtissin, eine Erklärung ist notwendig, und es sollte schon eine sein, die mich zufriedenstellt«, erwiderte sie scharf. »Vielleicht erklärst du zuerst einmal, wieso du hier bist.«
    Die Miene der Äbtissin veränderte sich schlagartig. Ihre frühere

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