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09 - Vor dem Tod sind alle gleich

09 - Vor dem Tod sind alle gleich

Titel: 09 - Vor dem Tod sind alle gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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und seine Begleiter vor Schreck und Überraschung erstarrt.
    Unter den gerade eingetroffenen Reitern befand sich ein Mann unbestimmbaren Alters, der auf einer mächtigen Rotschimmelstute saß und dessen Kleidung einen hohen Rang oder ein hohes Amt verriet. Er hatte eine vorspringende Nase und helle, klar blickende Augen, und seine Miene war streng und verschlossen.
    Fianamail zitterte vor Wut. Sein Gesicht lief hochrot an.
    »Eine Unverschämtheit!« Seine Stimme überschlug sich fast. »Das ist eine Unverschämtheit! Dafür werdet ihr büßen! Wißt ihr denn nicht, wer ich bin? Ich bin der König. Für diese Frechheit müßt ihr sterben!«
    »Fianamail!« rief die spröde Stimme des Reiters, der sich nach vorn schob, wo der König hielt. »Sieh mich an!« Sein Ton war nicht laut, aber er verschaffte sich Gehör.
    Der König blickte ihn verdutzt an und versuchte seinen Zorn zu beherrschen.
    »Schau mich an und erkenne mich. Ich bin Barrán, der Oberrichter aller fünf Königreiche von Éireann. Dies sind die Fianna des Großkönigs. Und hier ist meine Vollmacht, der du nun zu gehorchen hast.«
    Er hielt ihm seinen kunstvollen Amtsstab hin, der mit Edelsteinen besetzt und mit Gold und Silberstreifen verziert war.
    Fianamails Gesichtsfarbe wandelte sich von rot zu weiß. Nach kurzem Zögern stammelte er in etwas ruhigerem Ton. »Was hat das zu bedeuten, Barrán? Ihr habt eine rechtmäßige Hinrichtung unterbrochen. Dieser Mann ist ein Angelsachse, der der Vergewaltigung und Ermordung einer jungen Novizin schuldig gesprochen wurde. Er ist ein gefährlicher Mensch. Er hat ein faires Verfahren bekommen, und eine faire Berufung wurde von meinem Brehon, Bischof Forbassach, und mir angehört. Die Vollstreckung des Urteils ist legal und…«
    Barrán hob die Hand, und Fianamail verstummte.
    »Wenn es so ist, wie du sagst, dann wirst du eine Entschuldigung von niemand Geringerem als dem Oberrichter erhalten. Aber es gibt viele Dinge, die mich beunruhigen, so wie sie auch den Großkönig beunruhigen. Es ist besser, die Dinge nachzuprüfen und Fehler zu berichtigen, solange der Mann lebt, als sie richtigstellen zu wollen, wenn er schon tot ist.«
    »Es gibt keinen Fehler.«
    »Das werden wir weiter besprechen, wenn wir deine Burg erreichen, Fianamail.« Barrán sprach ruhig, doch sein Ton erzwang Gehorsam selbst von Königen, und Fianamail war noch jung und unreif. »Der Großkönig findet es zudem sehr besorgniserregend, daß man an seinem Hof in Tara hört, in diesem Königreich werde unser angestammtes Rechtssystem nicht länger geachtet. Es heißt, daß du die Bußgesetze als geltendes Recht verkündet hast und über den Gesetzen der Fénechus stehend, die die Brehons vertreten. Kann das wahr sein?«
    Er blickte hinüber zu Abt Noé.
    »Stimmt es auch, daß du diesen jungen König so beraten hast, Noé?«
    Barrán war mit dem Abt bereits in Ros Alithir zusammengestoßen. Sie waren keine Freunde.
    »Es gibt gute Gründe für die Übernahme der Bußgesetze, Barrán«, antwortete Abt Noé steif.
    »Dann werden wir sie zweifellos zu hören bekommen«, erwiderte Barrán trocken. »Es ist freilich seltsam, daß der Brehon von Laigin, der geistliche Berater des Königs oder gar der König selbst nicht daran gedacht haben, nach Tara zu kommen und die Sache mit den anderen Brehons und Bischöfen der fünf Königreiche zu besprechen. Derzeit ist es das Gesetz der Fénechus, das im ganzen Lande gilt, und das ist das einzige Gesetz, an das die Menschen sich zu halten haben. Ein anderes Gesetz kenne ich nicht. Es würde den Großkönig und seinen Hof unangenehm berühren, wenn ohne unser Wissen noch weitere Verstöße gegen unser Gesetz vorgekommen sind.«
    Eadulf stand immer noch da und massierte sich verwirrt die Handgelenke; der Hals schmerzte ihn von der Reibung des Stricks.
    »Was geht hier vor?« flüsterte er Aidan zu.
    »Lady Fidelma schickte mich nach Tara, um den Oberrichter so schnell wie möglich herzuholen. Ich dachte schon, wir kämen zu spät. Beinahe wäre es auch so gewesen.«
    »Aber woher wußtet ihr, wo ich bin? Sie weiß es nicht.«
    »Wir wußten es auch nicht. Wir haben Schwester Fidelma noch nicht getroffen. Wir ritten die Nacht hindurch, und vor einer Stunde kamen wir auf den Bergpfad weiter unten, der eine Abkürzung nach Fearna bildet. Er führt an Fianamails Jagdhütte vorbei, und dort bemerkten wir Bewegung. Barrán ließ einen seiner Leute nachfragen, ob Fianamail anwesend sei. Wir erfuhren, er und Abt Noé

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