09 - Vor dem Tod sind alle gleich
seinen Leuten kämpfen können.«
Fidelma erwiderte seinen Blick.
»Und was dann?« fragte sie sanft. »Wir hätten uns Befriedigung durch zwecklosen Widerstand verschafft, oder, falls wir mit Glück Bischof Forbassach, den Brehon von Laigin, und die Krieger des Königs abgeschlagen hätten, wäre es etwa eine Genugtuung für uns gewesen, wenn wir dadurch einen blutigen Konflikt zwischen den beiden Königreichen ausgelöst hätten, in dem die Wahrheit und die Gerechtigkeit völlig vergessen worden wären?«
»Das verstehe ich nicht, Lady.«
»Nehmen wir an, Coba hätte sich geweigert, sich zu ergeben? Bischof Forbassach ist Brehon dieses Königreichs und besitzt das Recht, die Auslieferung von Personen zu verlangen, die gegen ihren Willen festgehalten werden.«
Dego schwieg.
»Welche gesetzliche Grundlage gäbe uns das Recht, dem Brehon dieses Königreiches den Gehorsam zu verweigern?«
»Ich dachte, wir wären nahe daran, die Lage zu klären. Du hattest schon bewiesen, daß Bruder Eadulf ungerecht verfolgt wurde für Verbrechen, die er nicht begangen hatte. Du hattest festgestellt, daß die Äbtissin in den schrecklichen Sklavenhandel mit jungen Mädchen verwickelt sein muß.«
»Was ich gesagt habe«, erwiderte Fidelma langsam, »war nur, daß die Abtei als Umschlagplatz diente, auf dem junge Mädchen den Fluß hinunter verfrachtet und an ausländische Sklavenschiffe verkauft wurden. Die Einzelheiten hatten wir noch nicht nachgeprüft, und noch weniger hatten wir aufgedeckt, wer hinter diesem Handel steckt.«
Dego war verwirrt.
»Aber jetzt haben wir gar keine Gelegenheit mehr, etwas herauszubekommen, Lady. Dadurch, daß wir uns ergeben haben, ist uns jede Möglichkeit genommen, unsere Nachforschungen fortzuführen. Bischof Forbassach wird uns bestenfalls aus diesem Königreich hinauswerfen lassen. Schlimmstenfalls wird er uns einsperren lassen wegen… na, wegen irgendwas. Er wird sich bestimmt eine passende Beschuldigung ausdenken.«
»Dego, hätte Coba sich nicht ergeben, wären wir vielleicht alle von den uns an Zahl überlegenen Kriegern Forbassachs niedergemetzelt worden. Hätten wir aber durch ein Wunder Forbassach zurückgeschlagen, wie lange hätte es gedauert, bis der König selbst mit einem Heer gekommen wäre und Cam Eolaing niedergebrannt hätte? Wir hatten keine Wahl.«
Dego wollte die Logik ihrer Beweisführung nicht gern anerkennen. Auch Fidelma hatte sich eben erst von ihrer eigenen Logik überzeugt, denn vom Gefühl her stimmte sie Dego zu. Ihr Instinkt hatte sie zuerst zum Kämpfen aufgefordert, denn es gab eine Finsternis und ein Übel, das die Abtei durchdrang und alle, die mit ihr zu tun hatten. Doch als sie die Lage kühl erwog, erkannte sie, daß es keinen anderen Ausweg gab. Nun erhob sich jedoch die Frage, wie sie Bischof Forbassach dahin bringen könnte, daß er ihr gestattete, die Anhörung fortzusetzen, die sie in Cobas Halle begonnen hatte. Wenigstens hatte sie bewiesen, daß Bruder Eadulf nicht schuldig war, und sie hatte die Hauptzeugin dafür zur Verfügung, das Mädchen Fial.
Aber konnte sie sich auf Fial verlassen? Sie war jung und stand noch nicht im »Alter der Wahl«, und sie hatte ihre Darstellung der Ereignisse schon einmal geändert. Nach dem Gesetz war ihre Aussage unzulässig. Das hatte freilich Forbassach nicht daran gehindert, sie unter einem nichtigen Vorwand zuzulassen. Deshalb müßte er bei einer Berufung akzeptieren, daß Fials ihre Aussage zurückzog. Doch würde er das tun? Wenn Forbassach wollte, konnte er ihre Aussage leicht verwerfen.
Jeder Appell an Fianamail war jetzt fast hoffnungslos. Er war zu jung, ihm fehlte die Reife der Jahre, um seine Vorurteile zu überwinden und seinen übersteigerten Ehrgeiz, in seinem Lande ein bleibendes Andenken zu hinterlassen. Abt Noé hatte dem jungen Mann anscheinend eingeredet, sich als »Fianamail der Gesetzgeber« zu betrachten, als den König, der das Rechtssystem von Laigin änderte, indem er die Bußgesetze einführte, um es, wie er meinte, zu einem wahrhaft christlichen Königreich zu machen. Ihr wurde das Herz schwer, als sie diese Möglichkeiten bei sich erwog.
Ein Kampf gegen Bischof Forbassach und seine Krieger wäre nicht in Frage gekommen, doch sie näherten sich Fearna Kilometer um Kilometer, und ihr fiel kein vernünftiger Ausweg ein. Zu keinem Zeitpunkt ihrer Laufbahn hatte sich Fidelma so hilflos gefühlt. Dego hatte wahrscheinlich recht. So, wie sie Forbassach kannte, konnte sie nur hoffen,
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