0900 - Für Teufel, Gold und Templer
bärtigen Gesicht zu erkennen war. Gerbert wußte trotzdem, wen er vor sich hatte. Es war der Abt des nahen Klosters, ein Mann, der voll und ganz auf der Seite der Kirchenfürsten stand, die zudem sein eigenes, ausschweifendes Leben schützte. Man sprach davon, daß dieser Abt mehr als ein halbes Dutzend Kinder gezeugt hatte, aber laut sagte dies niemand.
»Da ist er, Ehrwürden«, sagte Duc Dacry, und der Abt nickte nur.
Die Soldaten führten den Gefangenen bis vor die Bank und ließen ihn dort los. Gerbert war so schwach, daß er sich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte. Er schwankte leicht von einer Seite zur anderen und sah die Gestalten der vor ihm sitzenden Männer nur verschwommen.
»Er soll sich hinknien!« sagte der Abt.
Dacry nickte d'Aurillac zu.
Als dieser nicht gehorchte, griff einer der Soldaten ein. Er trat dem Gefangenen in die Kniekehlen, der damit nicht gerechnet hatte und auf der Stelle zusammenbrach. Er schlug mit dem Gesicht auf, und Gerbert spürte den warmen Blutbach, der aus beiden Nasenlöchern rann.
Der Abt lachte. Er freute sich. Er war der Sieger und gab dies auch kund.
»Da liegt er nun, wo er hingehört. Im Dreck!«
Gerbert war erschüttert, aber er mußte dem Mönch recht geben. Er lag tatsächlich im Dreck. Er war ein Nichts, nur noch Gewürm, das von den Mächtigen zertreten werden konnte. Es gab für ihn keine Möglichkeit zur Flucht mehr. Sie hielten ihn gefangen, und sie würden ihn nie wieder freigeben, höchstens als Leiche.
»Er hat sich mit dem Teufel verbündet und den Himmel herausgefordert, Dacry. Sag mir, was mit Ketzern seiner Art geschehen soll. Was haben sie verdient?«
»Den Tod, Ehrwürden!«
»Ja, den Tod, aber nicht einfach den normalen Tod. Wer den Teufel liebt, der soll auch wie ein Teufel sterben. Grausam und so, daß er es spürt.«
Gerbert hatte die Worte gehört. Er wußte, wie sie gemeint waren. Er dachte sofort an die Folter, die über ihn kommen würde, und er fragte sich, ob er es schaffte, auch diesmal zu schweigen.
»Hebt ihn wieder hoch. Ich will ihn knien sehen, wenn ich ihm Fragen stelle.«
Der Abt führte hier das Wort, und auch die Soldaten gehorchten ihm.
Ihre starken Hände rissen den geschwächten Körper zuerst hoch, dann drückten sie ihn wieder nieder, so daß Gerbert d'Aurillac die von dem Abt gewünschte Haltung einnahm.
Jetzt kniete er. Er haßte diese Haltung, denn der bärtige Mönch war nicht der Herrgott oder ein Heiliger.
DÀurillac zitterte. Er ärgerte sich über die eigene Schwäche. Aus seinen Nasenlöchern sickerte noch immer Blut, wenn auch nicht so stark, aber es verunstaltete sein Gesicht noch mehr.
»Schau mich an, Ketzer!«
Mühsam hob Gerbert den Kopf. Seine Augen waren verklebt, und er hatte Mühe, sie zu öffnen.
Der Abt schaute ihn an. Sein Gesicht lag im Schatten. Der Feuerschein beleuchtete nicht alles. Der Mund war ebenfalls zu erkennen, er bildete eine Krümmung, die sich jetzt öffnete, als der Mann seine erste Frage stellte.
»Gib es zu, daß du dich mit dem Teufel verbündet hast, um in seinem Namen schreckliche Werke herzustellen.«
»Nein!«
»Du widersprichst?«
»Weil es nicht stimmt!«
»Dann bin ich ein Lügner für dich!«
»Ja.« Bei dieser Antwort kam sich Gerbert vor wie der von ihm konstruierte Kopf, denn der hatte auch nur immer sehr einsilbig antworten können.
Der Abt wollte antworten, mußte aber husten, weil ihm Rauch in den Hals gedrungen war. Erst als der Anfall vorbei war und er ausgespien hatte, gab er die Antwort. »Dafür hätte ich dich rösten müssen, aber ich verzichte darauf und frage weiter.«
»Ja.«
»Wir haben deine Zimmer untersucht, auch den Keller, und wir haben vieles gefunden. Ketzerische Schriften, von deiner Hand geschrieben, in denen du dich über Zahlen, Mystik und Verbindung zu den Gestirnen ausgelassen hast. Du hast über die Geometrie, über das verfluchte Schachspiel und über Maße und Gewichte geschrieben. Werke, deren Inhalt dir nur der Teufel angegeben haben kann. Ist das nicht so?«
»Nein!«
»Rede endlich!«
Gerbert flüsterte. »Kann nicht… Wasser…«
Der Abt überlegte, entschied sich dann dafür und wies einen Soldaten an, dem Gefangenen Wasser zu holen.
Der Mann holte ein kleines Gefäß und tauchte es in einen mit Wasser gefüllten Bottich neben der Feuerstelle. Das Gefäß drückte er Gerbert zwischen die Hände.
DAurillac trank gierig. Das Wasser schmeckte brackig und nach Metall, doch es erfrischte ihn trotzdem
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