0900 - Für Teufel, Gold und Templer
Straßenname an die Tempelritter, die »Rue es Blancs-Manteaux«, die Straße der weißen Mäntel.
Zerstört, aber nicht vergessen, und die Geschichte schläft nie. Sie konserviert nur und läßt ihre Geheimnisse nach und nach frei.
Aber davon wußten die zahlreichen Händler und Trödler nichts, die auf Kunden warteten. Vor allen Dingen auf Touristen, die auch im Februar die Stadt an der Seine besuchten.
Hugo Gall gehörte zu den Händlern, die hier ein Geschäft betrieben. Er hatte es von seinem Onkel bekommen, der längst unter dem Torf lag, wie Hugo immer zu sagen pflegte, und er hatte den Laden in den letzten fünf Jahren auf Vordermann gebracht. Sein Onkel hatte noch hauptsächlich Bilder unbekannter Straßenmaler verkauft. Er war mehr Förderer als Geschäftsmann gewesen, doch nach der Übernahme war Hugo davon abgekommen, denn Maler gab es an jeder Seine-Brücke, die in der Saison von fotografierenden Touristen besetzt waren. Sollten die Leute ruhig ihre Bilder bei den Pinselquälern kaufen, er wollte andere Dinge loswerden.
Ein Holzschild mit der Aufschrift Antique hing in seinem Schaufenster. Der Mann hatte die Erfahrung gemacht, daß so etwas immer zog. Es spielte auch keine Rolle, ob die Dinger wirklich alt waren, Hauptsache sie sahen alt aus, und er hatte so manchen Touristen reingelegt und gutes Geld verdient. Wenn die Leute später merkten, was ihnen angedreht worden war, dann waren sie meist zu scheu, um den Kram zurückzubringen, sie ärgerten sich wohl, das war alles, ihn brauchte es nicht mehr zu interessieren.
Wollte man einen typischen Franzosen skizzieren, so gehörte Hugo Gall zu dieser Sorte. Er rauchte die schwarzen Filterlosen, er trug gern Basken- oder Schiebermützen und färbte seinen Oberlippenbart jeden Tag dunkel nach, denn er sollte nicht so grau werden wie sein widerspenstiges Haar.
An diesem Morgen hatte er seinen Laden schon ziemlich früh geöffnet und sogar auf sein Frühstück verzichtet, denn er wußte nicht, wann sein Kunde kam.
Er hatte sich für den Vormittag angemeldet. Das konnte in der Frühe sein, aber auch später. Jedenfalls wollte Hugo Gall gerüstet sein, und er erhoffte sich zudem ein tolles Geschäft.
Hugo Gall verkaufte nicht nur Schrott in seinem Laden, wie das Zeug, das er draußen aufgebaut hatte - auf alt getrimmte Milchkannen -, nein, es gab auch einige Dinge in seinem Geschäft, die ziemlich wertvoll waren. Er hatte sie von seinem Onkel übernommen. Das waren echte Schnäppchen aus vergangenen Jahrhunderten, und ein Stück war sogar beinahe tausend Jahre alt, obwohl er es selbst nicht glauben konnte.
Der Mann, der das Ding heute kaufen wollte, würde es besser wissen. Er war vor drei Tagen schon einmal in seinem Laden gewesen und hatte sich genau umgeschaut. Als er den Kopf dann entdeckt hatte, da hätte er nur genickt und nach dem Preis gefragt.
Hugo Gall war so überrascht gewesen, daß es ihm die Sprache verschlagen hatte. Der Fremde hatte sich dann als Monsieur Dacry vorgestellt und ihm erklärt, daß er in drei Tagen zurückkehren würde, und er hatte Hugo dreihundert Francs als Anzahlung überlassen.
Gall war einverstanden gewesen. In den vergangenen Tagen hatte er sich den Kopf über den Preis zerbrochen. Er wußte, daß der Typ heiß auf den Gegenstand war, und er dachte darüber nach, wie hoch er die Summe wohl schrauben konnte.
Mit seinen Kollegen hatte er auch über den Kunden gesprochen, die kannten den Mann ebenfalls. Er war durch ihre Geschäfte gezogen und hatte ihnen erklärt, daß er auf der Suche nach etwas Bestimmtem wäre.
Was es genau war, hatte er nicht gesagt.
An diesem Morgen zeigte der Himmel über Paris eine frühlingshafte Bläue. Hinzu kam ein weicher Südwind, der ebenfalls für eine Erwärmung sorgte und den Winter vergessen ließ. Der aber sollte schon in der nächsten Nacht mit heftigem Schneeregen wieder zurückkehren, doch zuvor lag der Tag noch vor ihnen.
Wenn die Käufer dann wie Ratten aus ihren Löchern hervorkrochen, sollte es den Händlern nur recht sein.
Nicht weit entfernt stand Leila mit ihrer Mutter. Beide stammten aus Marokko und verkauften bunte Tücher, angeblich Handarbeit. Tatsächlich aber wurden sie in einer der zahlreichen Hinterhofnähereien angefertigt, wo Frauen aus Asien zwölf und mehr Stunden unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen vor ihren Nähmaschinen hockten. Diese bunten Tücher waren beliebt und erlaubten Leilas Familie ein recht gutes Leben. Leila war ein tolles Weib mit
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