0902 - Das Mädchen und die Loower
um sie nicht den Repressalien ihrer Artgenossen auszusetzen.
Würdest du ihre Betreuung übernehmen?"
Ich hatte keinen Grund, dies abzulehnen, und begab mich in den Westturm.
Ich ließ mich von Haman Gheröls Helk zum Schauplatz der Ent- führung bringen und mir von ihm den Hergang schildern.
Danach konnte ich noch weniger glauben, daß die Entführer im Auftrag der terranischen Regierung gehandelt hatten. Der sinnlose Einsatz von Strahlenwaffen, die plumpe und spektakuläre Vorgehensweise, die eine Entdeckung förmlich herausforderte, trug einfach nicht die Handschrift des Ersten Terraners und seiner Vertrauten. Über den Helk ersuchte ich Hergo-Zovran um eine Unterredung mit dem gefangenen Entführer, doch der Türmer sah keinen Sinn darin und verweigerte sie mir. Ich konnte ihn auch verstehen, für ihn war der Beweis eindeutig erbracht. In meinen Augen waren es jedoch nur unzureichende Indizien. Ihre Beweiskraft war nicht stark genug, um durchgreifende Maßnahmen zu rechtfertigen.
Andererseits war mir auch klar, daß dieser Vorfall die Geduld des Türmers überstrapaziert hatte.
Die Entführung an sich war von geringerer Tragweite. Doch für mein Volk ging es um mehr. Um das existenzbestimmende Auge, das der Schlüssel für die Materiequelle sein sollte. Auch wenn ich den Wert und die Bedeutung dieses Objekts nicht mehr abschätzen konnte, seit ich nicht mehr entelechisch denken konnte, war mir klar, daß mein Volk jeden Einsatz wagen würde, um sich in seinen Besitz zu bringen. Dies war als Tatsache hinzunehmen, egal ob man in der Lage war, die Zusammenhänge zu begreifen oder nicht.
Ich ließ mich von Haman Gheröls Helk zu diesem und seiner Frau und seiner älteren Tochter bringen. Haman Gheröl wurde bei meinem Anblick geradezu aggressiv, und er beruhigte sich auch nur äußerlich, als sein Helk ihm erklärte, wer ich war. „Wie ist es auf der Erde?" fragte Aldina Feyrön, Hamans Frau, mich fast sehnsüchtig. „Ich habe nicht viel zu sehen bekommen", gestand ich. „Aber im großen und ganzen ist alles unverändert.
Auf dem Mars tut sich mehr als auf Terra. Die Entführung Ihrer Tochter könnte schlimme Folgen haben.
Die Lage ist sehr gespannt."
Aldina warf ihrem Mann einen unsicheren Blick zu und sagte: „Baya geht es doch gut, nicht wahr? Ihr wird nichts zustoßen?"
„Baya ist in Sicherheit!" sagte Haman Gheröl überzeugt. „Sie waren dabei, als Ihre Tochter entführt wurde", sagte ich. „War es Ihnen nicht möglich, Baya zu helfen?
Konnten Sie es nicht verhindern, daß man sie vor Ihren Augen raubte?"
„Was geht Sie das an!" schrie er. „Euch Loower trifft dieser Verlust natürlich hart, weil ihr mit Baya eine willige Sklavin verloren habt. Ich, als ihr Vater, bin jedenfalls froh, daß Baya sich nicht mehr in eurer Gewalt befindet."
Ließ sich daraus auf eine Mittäterschaft schließen? Ich konnte mir zumindest vorstellen, daß Harrian sich passiv verhalten hatte, als er sah, daß es Terraner waren, die Baya aus der Neunturmanlage fortbrachten.
Ich erzählte ihm von Hergo-Zovrans Ultimatum und fügte hinzu: „Wenn die Frist abgelaufen ist und Ihre Tochter nicht auftaucht, dann ist ein Krieg zwischen unseren beiden Völkern unabwendbar!"
Ich hoffte, ihn damit einzuschüchtern und zur Zusammenarbeit zu bewegen.
Aber er reagierte ganz anders. „Es wird auch Zeit!" rief er leidenschaftlich. „Ich kann es kaum erwarten, daß die LFT sich zum Handeln entschließt und euch aus dem Solsystem jagt. Und jetzt belästigen Sie uns nicht länger. Oder soll ich Sie hinausprügeln?"
Eine so aggressive Haltung hätte ich nicht erwartet. Selbst durch Lank-Grohans Aussage über Haman Gheröls" cholerischen und impulsiven Charakter war ich darauf nicht vorbereitet. Haman Gheröl schien Grund zu der Annahme zu haben, daß die momentane Entwicklung uns schadete und den Terranern entgegenkam.
Was machte ihn in dieser Meinung so unerschütterlich und gab ihm solche Selbstsicherheit?
Irgendwie bekam ich den Eindruck, daß dieser Mann eine Schlüsselperson war, die über die Hintergründe der Entführung ihrer Tochter Bescheid wußte.
Ich meldete meinen Verdacht dem Türmer und bat ihn, intensivere Nachforschungen anstellen zu dürfen.
Aber Hergo-Zovran beantwortete den Anruf des Helks nicht einmal. „Du schaffst auch nicht, was nicht einmal Lank-Grohan gelungen ist", sagte Haman Gheröls Helk, der auf „Progressiven Dialog" programmiert war. „Und dabei hatte der Psychologe über vierzehn
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