0902 - Zurück zu den Toten
zerrte ich meine Hände zu verschiedenen Seiten hin weg.
Verdammt, die Dinger waren mürbe geworden. Sie mußten doch endlich reißen!
Ich schrie sogar, und dieses Schreien mischte sich in mein heftiges Keuchen.
Der letzte Schrei gehörte dem Jubel, denn mit einem heftigen Ruck waren auch die letzten Reste der Fesseln gerissen. Ich kippte nach hinten, blieb auf dem Rücken liegen, holte erst einmal tief Luft und hielt die Arme von meinem Körper abgespreizt.
Himmel, tat das gut. War das eine Wohltat! Ein herrliches Gefühl, als wäre der Himmel persönlich zu mir gekommen. Die Hände bewegen zu können, ist etwas Wunderbares.
Schwungvoll richtete ich mich in die sitzende Haltung und begann damit, die Gelenke zu massieren, die verdammt taub geworden waren. Der Kreislauf stabilisierte sich, das Blut strömte in die abgeschnürten Bahnen zurück.
Mit einem Taschentuch trocknete ich mein Gesicht. Dann fing ich an, die Fesseln an den Füßen zu lösen, dabei verließ ich mich wieder auf die alte Scherbe, die ich jetzt normal zwischen die Finger klemmte. So säbelte ich die Stricke durch, was ein Kinderspiel war im Vergleich zu meinem ersten Befreiungsversuch.
Auch bei den Füßen erlebte ich das gleiche Spiel. Gerade noch taub, lebten sie wieder auf.
Jedenfalls waren die Karten neu verteilt, und ich würde wieder mitmischen, das stand fest…
***
Olivia Serrano war guter Laune. Sie wußte diesen Polizisten in seinem Verlies sicher, und die Fesseln waren auch noch sehr stramm um seine Gelenke gewickelt, das hatte sie auch feststellen können. Jetzt wartete sie auf die Rückkehr ihrer Schwester, die bestimmt nicht lange mehr auf sich warten lassen konnte, denn zu weit war der Weg in den Wald schließlich auch nicht.
Die Frau stand am Fenster, wo sich auch die Spüle befand. Sie ließ Wasser in die Kaffeekanne laufen, spülte sie aus und stellte sie dann auf die kalte Heizplatte der Maschine zurück.
Danach schob sie mit zwei Fingern die Gardine in der Mitte auseinander, um nach draußen zu schauen.
Viel war nicht zu sehen, denn sie hatte das Licht neben der Haustür nicht eingeschaltet. So lag das Haus, ebenso wie die gesamte Umgebung in dunkle Watte gepackt.
Olivia runzelte die Stirn. Nicht daß sie sich zu große Sorgen gemacht hätte, aber ihre Schwester war eigentlich schon überfällig, und die Frau am Fenster dachte darüber nach, was wohl passiert sein könnte.
Amanda war manchmal zu locker, zu lässig und einfach zu sehr davon überzeugt, daß ihr nichts passieren konnte. Sie war jemand, der den Schutzengel in der Tasche hatte, und sie hatte stets erklärt, alles im Griff zu haben. Nichts konnte sie aus der Ruhe bringen, selbst die seltsamen Funde nicht. Diese drei Gestalten, von denen sie überzeugt gewesen war, keine Toten vor sich zu haben.
Sie hatte sich zu ihnen hingezogen gefühlt. Nach ihrer Rückkehr war sie jedesmal zufriedener gewesen und hatte davon gesprochen, daß sich gewisse Dinge bald ändern würden.
Olivia wartete ab. Ein wenig Skepsis war einfach besser. Das Leben war keine glatte Straße, es glich mehr einer Achterbahn, davon konnten die beiden Schwestern ein Lied singen.
Auf der anderen Seite waren die Steine im Wald schon etwas Außergewöhnliches. Den Einheimischen waren sie bekannt, und sie verdienten auch den Namen Kultstätte. Glücklicherweise hatte sich dies kaum herumgesprochen, sonst wären aus den näher liegenden Ortschaften die Menschen in den Wald gepilgert, um sich aus dieser Stätte ihre Kraft zu holen. Gerade Esoteriker suchten für ihre Seancen derartige Orte.
Olivia mußte zugeben, daß auch sie von diesen »Personen« fasziniert war. Es waren die Regeln einfach auf den Kopf gestellt worden. Da lagen sie und sahen aus wie tot, obwohl sie bestimmt lebten, aber eben auf ihre Art und Weise.
Die Schwestern hatten sich zu Wächtern erhoben. Sie fühlten sich zu ihnen hingezogen, sie wußten über ein düsteres Geheimnis Bescheid, ohne es jedoch genau zu kennen, und nun war es wichtig, daß Amanda den Schlüssel zu den Gestalten fand.
Schon ihren Eltern war der Platz im Wald nicht geheuer gewesen. Sie hatten ihn gemieden, er paßte mit seinen seltsamen Steinen einfach nicht in die Umgebung hinein, aber sie hatten es hingenommen, wie es auch die anderen Menschen getan hatten.
Die drei Gestalten hatten dort nicht immer gelegen. Sie waren wie aus dem Nichts erschienen, als hätte sie jemand gebracht und einfach zwischen die Steine gelegt.
Warum?
Olivia hatte sich
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