0902 - Zurück zu den Toten
Verständnislos bückte sie ihrer Schwester ins Gesicht. »Begreife doch«, sagte sie schließlich. »Es sind drei Vampire, und es gibt noch andere Namen dafür. Untote, Wiedergänger, Wesen der Finsternis, Diener der Hölle oder wie auch immer. Da ist es gleich, ob ich von Toten spreche, von Zombies oder auch von Vampiren. Jedenfalls sind es keine, Menschen.«
»Und du hast sie gesehen?«
»Ja.«
»Bei den Steinen.«
»Darunter, Schwester.«
Olivia überlegte, was ihre Schwester damit gemeint haben konnte. Sie kam zu keinem Resultat, was Amanda auch merkte, denn sie setzte zu einer Erklärung an. »Diese Vampire haben unter den Steinen gelegen, aber nicht im Boden, sondern so.« Sie deutete mit beiden Händen eine Brücke an und zeichnete die Form der Steine nach. Dann klopfte sie mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf den Tisch. »So und nicht anders ist es gewesen. Sie haben da gelegen.«
»Und du warst bei ihnen?«
»Sicher, sonst hätte ich es dir jetzt nicht erzählen können. Ich bin bei ihnen gewesen.«
Olivia war noch immer erstaunt und konnte dieses Erstaunen auch nicht verbergen. »Und sie haben dir nichts getan?« fragte sie leise.
»Warum hätten sie das tun sollen?«
»Ich bin zwar keine Vampirkennerin, aber daß diese Wesen vom Blut ihrer Opfer leben, weiß ich auch.«
»Richtig, nur bin ich kein Opfer.«
»Was bist du dann?«
»Eine Verbündete, und das haben sie gemerkt.«
Olivia verzog den Mund. Okay, sie und ihre Schwester waren verschieden. Sie lebten zwar zusammen, aber man konnte sie nicht über einen Kamm scheren. Während Olivia mehr praktisch dachte, verlor sich Amanda oft genug in Träumereien, und sie hatte auch ein Feeling für gewisse übersinnliche Dinge. Aber Amanda als Verbündete der Vampire zu sehen, fiel Olivia doch schwer.
»Was hast du?«
Olivia Serrano schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Schwester, ich weiß es wirklich nicht. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß dich drei Vampire als Verbündete akzeptieren. Für mich ist es überhaupt schwer, sie als existente Wesen anzusehen, und da sprichst du von Akzeptanz?«
»So ist es aber.«
»Gut, ich bin nicht bei dir gewesen. Du siehst sie also als deine Verbündete an.«
»Sicher, denn sie haben mir nichts getan, Schwester. Sie sind erwacht. Sie liegen nicht mehr da wie tot. Sie haben endlich die Augen geöffnet, und es ist so gewesen, daß sie mein Blut nicht wollten. Sie haben mir ihre Zähne nicht in den Hals geschlagen und den roten Saft getrunken. Das ist eine Tatsache.«
»Ja, ich weiß«, murmelte Olivia.
Ihrer Schwester gefiel die Reaktion nicht. »Was ist denn mit dir? Du siehst irgendwie verträumt und zugleich ängstlich aus? Über was denkst du nach?«
»Über die Vampire natürlich.«
»Und weiter?«
»Ich frage mich, woher sie kommen, Amanda, und wer sie geschickt oder geschaffen hat.«
»Ach, das ist doch egal.«
»Nein, für mich nicht.«
»Olivia, bitte.« Amanda sprach jetzt schnell. »Haben wir uns nicht versprochen, gewisse Dinge zu akzeptieren? Wußten wir nicht schon länger Bescheid?«
»Keine Ahnung.«
»Doch, das wußten wir. Wir sind beide eingeweiht worden. Wir haben es erfahren. Weshalb haben wir dann sonst diesen Polizisten in den Keller geschafft und gefesselt?«
Olivia legte die Stirn in Falten. »Im nachhinein glaube ich, daß wir einen Fehler begangen haben.«
»Warum das?«
»Weil er ein Polizist ist, Schwesterherz.«
»Na und?«
Olivia seufzte. »Als Polizist kämpft er nicht allein. Es steht immer jemand hinter ihm. In seinem Fall ist es eine Organisation, die wir nicht unterschätzen sollten. Scotland Yard ist weltberühmt, und das hat sich bis zum heutigen Tag noch nicht geändert. Glaubst du denn, daß seine Kollegen das Verschwinden einfach hinnehmen werden? Ich glaube es nicht. Man wird nach ihm suchen, man wird auch auf uns stoßen, denn er wird bestimmt hinterlassen haben, wohin er gefahren ist.«
Amanda nickte. Es überraschte Olivia, und deshalb sprach sie nicht weiter. »Wolltest du etwas sagen?«
»Das will ich, Olivia.«
»Dann raus damit!«
»Es ist ganz einfach. Zunächst einmal gebe ich dir in allen Dingen recht.«
»Wie schön.«
»Laß deinen Spott, bitte. Du hast recht, was Sinclair und auch dessen Organisation angeht. Man wird auch nach ihm suchen, aber man wird es nicht sofort tun.«
»Gut. Und was folgerst du daraus?«
»Daß irgendeiner seiner Kollegen erst morgen früh bei uns erscheinen wird, um Fragen zu stellen. Das ist
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