0903 - Nächte der Angst
Hilfeschrei ihren Mund. Was ist nur los mit mir? Himmel, was habe ich getan? Was ist denn überhaupt geschehen?
Keine Antwort war möglich. Niemand konnte sie ihr geben, denn es war niemand in der Nähe. Sie mußte allein damit fertigwerden. Wieder verdrehte sie die Augen, hob den Blick an, als könnte ihr das kleine Fenster über dem Kopf eine Antwort geben.
Das Glas blieb stumm, ebenso die Dunkelheit. Die Nacht war ruhig und gefährlich, sie war angefüllt mit Schatten, mit einem geheimnisvollen Leben, das sich an andere Regeln hielt als an die normalen.
Vera Tanner hatte sich derartigen Gedanken nie hingegeben. Das wollte sie an diesem späten Abend auch nicht, aber es ging nicht anders. Sie mußte immer wieder an die Nacht denken und an das, was sich in ihr verstecken konnte.
Auch er.
Lou Ryan war allgegenwärtig, auch wenn sie ihn nicht sah. Vera hatte das Gefühl, ihn zu spüren.
Sie bildete sich ein, neben ihr den Druck eines anderen Körpers zu fühlen. Sie drehte sich sogar um, aber da war niemand.
Oder?
Ein Schatten zeichnete sich auf dem Bett ab. Ein Schatten, der zuvor nicht dagewesen war, der auch sie erreichte. Woher kam der Schatten?
Licht gab es nicht, abgesehen von dem Schein der Lampe im Nebenraum. Vera schaute nach vorn, durch die offene Tür, aber sie sah keinen, der sich bewegt hätte.
Und doch war der Schatten da.
Obwohl sie vor Furcht heftig atmete, blieb sie starr liegen, dennoch schielte sie zum Fenster. Vera suchte den Auslöser des Schattens.
Da sah sie etwas durch die Scheibe fallen. Es war grau und wirkte wie ein böses Omen. Es fiel auf sie und auf ihr Bett. Es war ein Zeichen. Mit Schrecken erkannte die junge Frau die ganze Wahrheit.
Sie und ihr Bett wurden von einem schwarzen Schattenkreuz berührt. Nur lag es mit dem oberen Teil nach unten!
Vera Tanner wußte Bescheid.
Es war das Zeichen des Satans und das Zeichen dafür, daß sie bereits in seine Nähe gerückt war…
***
»Wie spät ist es?« fragte ich Suko, der neben mir hockte, gähnte und es sich auf dem Beifahrersitz so bequem wie möglich gemacht hatte.
»Zu spät.«
»Sag schon.«
»Es ist früh. Zwei Uhr beinahe.«
»Mist.«
»Stimmt.«
Ich ließ das Nachtglas sinken, durch das ich das Haus beobachtet hatte. Es lag einsam, mitten im Gelände, aber es war nicht unbewohnt, denn hinter den Mauern lebten die Schwestern Serrano, die es tatsächlich geschafft hatten, drei besondere Gäste - Vampire - in ihr Haus zu locken.
Diese drei Blutsauger hatten eigentlich als Killer für die Mafia arbeiten sollen. Daß daraus nichts wurde, hatte an Suko, Shao und mir gelegen, uns war es gelungen, die drei Blutsauger zur Hölle zu schicken. Die beiden Serrano-Schwestern aber waren geblieben. Aus ihnen hatten wir nichts herausgekriegt. Angeblich hatten sie von nichts gewußt, was wir natürlich nicht glaubten.
Wir hätten sie für eine Weile festhalten können. Schließlich hatten sie mich betäubt und gefesselt in einem Kellerverlies zurückgelassen, wo ich als Nahrung für ihre Blutsauger dienen sollte.
Es hatte nicht geklappt, und wir hatten Amanda und Olivia Serrano nicht eingebuchtet. Aber wir hatten sie auch nicht vergessen, denn wir gingen beide davon aus, daß auch sie nicht vergessen worden waren und weitermachten.
Sie waren darauf fixiert, mit dem Feuer zu spielen, und wir warteten darauf, daß die Flamme endlich angefacht wurde. Es war die dritte Nacht, die wir uns um die Ohren schlugen - unser Chef war natürlich einverstanden gewesen -, und ins Büro waren wir erst am Mittag zurückgekehrt, nachdem wir uns eine Mütze voll Schlaf gegönnt hatten.
In dieser Nacht allerdings hatte sich etwas verändert, denn die Schwestern hatten Besuch bekommen, über den wir uns wunderten. Ein Mann war auf einem Motorrad zu dem Haus gefahren, hatte die Maschine abgestellt und war sofort hineingegangen.
Wir hatten ihn nicht erkennen können, denn der Helm hatte sein Gesicht verborgen, und so mußten wir warten, bis er wieder zum Vorschein kam, dann würden wir uns an seine Fersen heften und ihn irgendwann auch stellen.
Nur waren wir Menschen und lebten nicht davon, uns die Nächte um die Ohren zu schlagen. Wir konnten die Müdigkeit kaum unterdrücken, es fiel uns beiden immer schwerer, die Augen offenzuhalten. Mal hatte Suko geschlafen, mal ich, und auch der erste Kick nach dem Besuch des Unbekannten war längst verflogen. Die Routine des Wartens hatte uns wieder eingeholt.
»Wir können ja wetten!« schlug ich
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