0903 - Nächte der Angst
war nicht einfach nur eine andere Ausstrahlung gewesen. Da hatte schon etwas anderes dahintergesteckt. Eine gewisse Weltanschauung, die ihrer genau entgegenstand. Hier kam einiges zusammen, über das sie nie nachgedacht hatte.
Immer wieder funkte das Wort Teufel durch ihren Kopf. Natürlich war der Teufel in ihrem Leben präsent gewesen, aber auf eine andere Art und Weise. Eben wie bei einem normalen Menschen, der über den Teufel las, der mal in seinem Namen fluchte, der Filme sah, wo der Name des öfteren wiederholt wurde, aber doch nicht in Wirklichkeit.
Das hatte sich bei ihr alles geändert!
Sie kam nicht mehr zurecht. In der vergangenen Woche war ihr Leben auf den Kopf gestellt worden. Dieser ruhige Fluß, in dem es bisher dahingetrieben war, hatte plötzlich Stromschnellen und auch gefährliche Untiefen bekommen, die für einen Nichtschwimmer tödlich waren. Und Vera Tanner fühlte sich tatsächlich wie jemand, der nicht schwimmen konnte, und sie wußte auch, daß sie allein dagegen nicht ankämpfen konnte. Sie brauchte Hilfe, denn all ihre Reaktionen vorhin waren Hilfeschreie gewesen. Alex mochte sie gehört haben, aber er hatte nicht handeln können, wobei sich Vera die Schuld gab.
Ihre Verfehlung konnte sie einfach nicht vergessen. Sie hatte sich nicht nur mit einem Mann eingelassen, der wie ein Druck auf ihrer Existenz lag.
Darüber kam sie zunächst einmal nicht hinweg. Und sie wußte auch, daß der Druck zunehmen würde, wenn es ihr nicht gelang, sich von diesem Menschen zu lösen.
Vera stellte die Dusche ab. Ein paar letzte Tropfen klatschten noch auf ihren Körper, dann stieg sie aus der schmalen Kabine und fror, weil ihr die Luft zu kühl war.
Die dunklen Haare klebten naß an ihrem Kopf. Vera wickelte sich in ein flauschiges Badetuch ein, begann sich abzureiben und starrte dabei ins Leere.
Sie sah sich im Spiegel. Nur schwach, weil sich Feuchtigkeit auf die Fläche gelegt hatte. Nur war sie nicht so dicht, als daß sie sich selbst nicht hätte sehen können.
Vera war ein Umriß, nicht mehr klar, und dieses Bild kam ihr symptomatisch für die Zukunft vor.
Nicht mehr klar denken, sich bewegen wie durch Watte, sich führen lassen von unbekannter Hand, sich dabei einem Ziel entgegenbewegen, das in weiter Ferne lag und von dem sie nicht wußte, wie es aussah.
War das noch ein Leben?
Vera nahm das Tuch von ihren Schultern weg und schleuderte es in die leere Dusche. Sie wollte sich nicht im Spiegel sehen, sie wollte auch nicht mehr in den Wohnraum, sondern wirklich versuchen, im Bett die nötige Ruhe zu finden.
Das Schlafzimmer war winzig. Der Vergleich mit einer Hütte hätte gepaßt.
Da standen ein Bett und ein schmaler Schrank, in dem ihre Kleidungsstücke dichtgedrängt hingen.
Auf dem Bett lag ihr Nachthemd aus Baumwolle. Es reichte ihr bis zu den Waden.
Die Tür hielt sie nicht geschlossen. Sie hatte auch im Wohnraum eine Lampe brennen lassen, denn die absolute Dunkelheit konnte sie jetzt nicht vertragen. Da wären ihr nur die schlimmen Gedanken gekommen, noch stärker als jetzt.
Sie legte sich auf den Rücken und versuchte zu beten. Ja, das würde helfen, ein Gebet hatte ihr schon oft geholfen. Nur war es diesmal anders. Vera Tanner schaffte es einfach nicht, die Hände zum Gebet zu falten. Da war plötzlich ein innerer Widerstand vorhanden, der bestimmt nicht aus ihr selbst kam, denn sie hatte den Eindruck, als wäre sie von jemandem abgehalten worden.
Von einer Stimme.
Von seiner Stimme!
Sie war da und nicht da. Vera sah ihn, sie malte sich aus, wie er hätte aussehen können. Er schwebte plötzlich wie eine Geisterscheinung über ihrem Bett. Es war die bildlich gewordene Erinnerung, die sie zu sehen bekam.
Ihr Herz klopfte schneller als gewöhnlich. Der Mund war trocken geworden. Die Angst hielt ihren Magen umklammert, auf der Stirn lag Schweiß, und ihre Hände berührten sich noch immer nicht.
Flach lagen sie auf der Bettdecke.
Was war das nur für ein Gefühl? Vera kam damit nicht zurecht. Wieder war eine Tür zu ihrem alten Leben geschlossen und eine andere aufgestoßen worden.
Wo sollte dies alles noch hinführen?
Verzweifelt stellte sich die Frau diese Frage. Immer und immer wieder, ohne jedoch eine Antwort finden zu können. Es war alles so anders geworden, und der Eindruck, eine Nichtschwimmerin im Meer zu sein, verstärkte sich zusehends.
Sie schluckte. Der Speichel schmeckte bitter, auch anders als sonst, und die geflüsterten Worte verließen wie ein
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