0903 - Nächte der Angst
mit dir geschehen.« Er holte Luft und sprach gegen eine junge Frau an, die wie verloren vor ihm stand. »Jemand hat dich beeinflußt. Oder etwas hat dich beeinflußt, da bin ich mir nicht sicher, aber du hast dich für mich auf eine schreckliche Art und Weise verändert, Vera, und das macht mir Angst. Hör bitte genau zu. Wir haben uns ein Verlobungsversprechen gegeben. Es ist keine Ehe, das gebe ich zu, aber fast eine. Ich für meinen Teil spüre schon jetzt die Verantwortung, die ich dir gegenüber habe. Ich werde nicht eher aufhören, bis ich alles weiß.«
»Es wird schwer für uns beide werden.«
»Dann gibst du es zu?«
»Nichts habe ich zugegeben.«
»Aber der Einfluß ist da, Vera.«
»Von was sprichst du?«
»Vom Einfluß eines anderen. Eines anderen Menschen, einer anderen Macht, was weiß ich. Ich spüre ihn, aber ich spüre ihn nicht so direkt wie du, denn du bist unmittelbar durch ihn betroffen. Etwas hat dich völlig durcheinandergebracht und von mir entfremdet. Ich werde es herausfinden, Vera, denn ich lasse es einfach nicht zu. So einfach kommst du mir nicht weg. Daß du unter schweren Problemen leidest, okay, das sehe ich dir an. Daß du mir nichts darüber sagen willst, akzeptiere ich ebenfalls. Ist alles gut oder auch nicht, ich weiß es noch nicht. Am schlimmsten für mich ist allerdings, daß du mir kein Vertrauen mehr schenken willst. Das macht mich irgendwie traurig, und ich ärgere mich auch über mich selbst, daß mir dein Zustand nicht schon früher aufgefallen ist. Ich hätte es doch merken sollen, aber ich war blind, einfach nur blind. Zu entschuldigen gibt es da nicht viel, Vera, nur bin ich froh, daß wir an diesem Abend miteinander geredet haben. Ich weiß zwar nicht Bescheid, doch ich bin einen winzigen Schritt vorgegangen, und es werden weitere Schritte folgen, darauf kannst du dich verlassen.«
Vera Tanner hatte jedes Wort gehört, aber es war nicht tief in ihre Seele gedrungen. Deshalb schaffte sie es auch nicht, eine passende Antwort zu geben.
Plötzlich stand zwischen ihnen eine Leere, wie beide sie noch nie gespürt hatten. Vielleicht wollte jemand etwas sagen, nur fehlten ihm die Worte, und so blieb die Leere, die auch zu zwei Fremden gepaßt hätte. Alex Preston machte schließlich den Anfang. Er drehte sich um, obwohl er am liebsten seine Verlobte in die Arme genommen hätte. Er tat es nicht. Erst an der Tür blieb er noch einmal stehen und wandte sich auf der Stelle um.
Vera Tanner schaute ihn an.
»Nun?«
Sie schüttelte den Kopf.
Also nichts, dachte Alex.. Er atmete tief ein. »Gut«, murmelte er dann, »gut, Vera, wir haben geredet, ich habe dir Vorschläge gemacht, und du hast sie nicht angenommen. Ich will dich jetzt nicht weiter beeinflussen. Darf ich dich denn morgen anrufen?«
»Natürlich«, erwiderte sie gepreßt.
»Danke. Ich wünsche dir eine gute Nacht.« Es waren seine letzten Worte, denn er drehte sich um und verließ die Wohnung.
Vera Tanner stand da wie festgeklebt. Es drängte sie, ihrem Verlobten nachzulaufen, aber sie schaffte es nicht, die Barriere zu überwinden, und deshalb blieb sie stehen.
Laut fiel die Wohnungstür ins Schloß. Es war wie der berühmte Schlußstrich. Plötzlich konnte sich Vera nicht mehr länger beherrschen. Die Tränen stürzten wie ein Strom aus ihren Augen. Sie drehte sich um, warf sich auf die schmale Couch und vergrub ihr Gesicht in einem Kissen. Alles war so schrecklich, so furchtbar, und Vera Tanner wußte nicht, wie ihr Leben weitergehen würde.
Über ihm aber stand wie ein drohender Schatten die Gestalt eines gewissen Lou Ryan…
***
Als die Tür hinter Alex Preston zugefallen war, spürte er erst richtig, wie stark er zitterte. Sein Körper bebte, er schaute auf seine Hände, die er nicht mehr ausgestreckt halten konnte. Er schwitzte und fror zugleich. Seine Gefühlswelt befand sich in einem inneren Aufruhr, und er versuchte, einen Blick in die Zukunft zu werfen, die nur mehr ein Scherbenhaufen war.
Während er nach unten ging, dachte er über seine Verlobte nach. Was war nur mit ihr geschehen? Er kam damit nicht zurecht. Sie waren beinahe das ideale Paar gewesen, aber plötzlich war sie ihm entglitten.
Einfach so. Sie war bei ihm gewesen, doch er hatte das Gefühl gehabt, als hätte er allein gesprochen.
Die Antworten paßten ihm nicht, sie waren einfach schlimm gewesen. So nichtssagend, obwohl sie doch voller Probleme steckte.
Damit kam Alex Preston nicht zurecht. Da brachte ihn auch sein Studium
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