0904 - Ein teuflischer Verführer
inzwischen zu ihnen gestoßen, sie rückte der Besucherin einen Stuhl zurecht und bat sie, sich doch zu setzen und es sich bequem zu machen.
»Zumindest so lange, bis Lou hier ist.«
»Wann kommt er denn?«
»Das wissen wir nicht.«
»Er wird schon kommen«, sagte Olivia, »da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.« Sie schenkte Tee ein, und Vera schaute ihr dabei zu. Sie freute sich auf das Getränk. Beim Tee konnte man sich einfach besser unterhalten.
»Nimmst du Zucker?« fragte Olivia.
»Ein wenig.«
»Bitte.« Vera wurde die kleine Dose zugeschoben. Sie rührte den Tee um, damit sich der Zucker schnell auflöste, dann nahm sie die ersten beiden Schlucke und schloß die Augen, weil sie die Wärme der Flüssigkeit genoß.
Amanda stellte die nächste Frage.
»Kennst du Lou schon länger?«
»Nein.«
»Wie lange?«
»Einige Tage.«
»Aha.«
»Er ist aber toll«, sagte Vera. »Er hat mir ein ganz neues Gefühl gegeben. Erst durch ihn spüre ich, daß ich lebe, daß ich eine Frau bin, daß sich mir andere Welten öffnen. Er hat mir alles gezeigt, versteht ihr. Wirklich alles.«
In Amandas Augen schimmerte es verdächtig, als sie fragte: »Auch die Dinge im Bett?«
»Ja, auch die.«
»Und wie war er?« zischelte sie. »Wie war Lou im Bett? Ich kann mir vorstellen, daß er großartig gewesen sein muß.«
»Amanda, bitte!«
»Hör auf, Schwester. Ich habe Vera etwas gefragt. Willst du es uns nicht sagen?«
Vera lächelte verlegen. »Ich weiß nicht so recht. Das ist alles ein wenig plötzlich gekommen. Ich meine, wir kennen uns ja gar nicht. Es ist schon komisch, wenn ich da über so intime Dinge reden soll. Ihr versteht, nicht?«
»Es macht uns nichts aus«, flüsterte Amanda. Ihre Finger näherten sich Veras Hand und berührten sie. »Es macht, uns wirklich nichts aus, meine Liebe.«
Vera senkte den Blick. Es war ihr schon ein wenig peinlich. Auf der anderen Seite mußte sie froh sein, bei den Schwestern hier das Gastrecht zu genießen, und beide wollte sie nicht enttäuschen.
Deshalb gab sie auch eine Antwort. »Er war wie ein Donnerhall, wenn man das als Frau mal so sagen kann. Wie ein Tiger.«
Amandas Augen leuchteten. »Tatsächlich?«
»Ja, wenn ich es dir sage.«
»Erzähle mehr darüber. Los, du brauchst dich nicht zu genieren, wir sind hier unter uns.«
»Wie meinst du das denn?«
»Einzelheiten«, flüsterte Amanda.
»Ich will wissen, was ihr beide da getrieben habt. Wie ihr es anstelltet. Und sag nicht, daß du dich nicht mehr daran erinnerst.«
»Wie könnte ich das je vergessen.«
»Gut, und jetzt zier dich nicht länger. Raus mit der Sprache!«
Vera wollte noch nicht. Es gehörte Mut dazu, und der mußte noch einen Kick bekommen. »Wenn ich vielleicht einen Schnaps haben könnte. Egal welcher, dann…«
Amanda sprang auf. »Okay, ich hole ihn dir. Warte noch einen Moment.« Sie verschwand in einem anderen Zimmer und ließ Vera mit Olivia allein zurück.
»Manchmal ist meine Schwester furchtbar.«
»Ich kann sie verstehen.«
»Wegen Lou?«
»Ja, wegen Lou Ryan. Er ist ein Ereignis. In ihm stecken Kräfte, die ich nie für möglich gehalten habe. Es ist wirklich etwas Besonderes an ihm, darauf kannst du dich verlassen.«
Olivia nickte. »Das haben wir gespürt, als wir mit ihm auf der Lichtung zwischen den Steinen standen.«
»Auf welcher Lichtung?«
»Hat er dir davon nichts erzählt?«
»Nein.«
»Sie ist ein sehr wichtiger Platz in unserem nahen Wald. Eine alte Opfer- und Kultstätte, was jemand wie Lou Ryan sofort bemerkt hat. Es ist, glaube ich, genau der Ort, den er gesucht hat. Als wir ihm die Lichtung zeigten, da war er begeistert. Da hat er immer wieder von einer bestimmten Kraft gesprochen, die er deutlich zu spüren glaubte«, erklärte Olivia.
Vera nickte.
»Du kennst diese Kraft?«
»Ich glaube es zumindest. Er hat sich dem Teufel verschrieben. Er hat durch seine Taten bewiesen, wie stark der Satan ist. Aber das müßtest ihr doch wissen.«
Olivia fing den erstaunten Blick der jungen Frau auf und lachte. »Nun ja, du bist noch nicht richtig eingeweiht. Wärst du es, müßtest du wissen, daß es als Gegenmacht zu unserer normalen Welt nicht nur den Teufel gibt.«
»Was denn noch?«
»Laß es, Schwester«, meldete sich Amanda, die mit der Flasche und drei Gläsern zurückkehrte. »Es wäre zuviel verlangt, unserer lieben Vera alles zu erzählen. Sie würde sicherlich verwirrt werden. Sie soll sich besser auf das konzentrieren, was vor ihr liegt.«
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