0905 - Die Anstalt
platziert zu haben schien. »Wie lange noch bis zum nächsten - falls der vorherige Takt beibehalten wird?«
Der Gefragte konsultierte die Uhr am Monitor. »Zwei Minuten.«
»Haben Sie noch so lange Geduld, Monsieur le professeur?«
Zamorra nickte, streckte den Arm aus und strich Nicole liebevoll über den Rücken. Dass er den Körperkontakt herstellte, um sie notfalls leichter in den Schutz seines magischen Amuletts einbinden zu können, blieb unausgesprochen. Aber er war bereit, nicht nur sie, sondern jeden Anwesenden in der kleinen Kammer zu schützen - falls dies nötig wurde und er dazu überhaupt in der Lage sein würde. Merlins Stern hatte sich weder erwärmt noch reagierte er bislang in anderer Weise auf die Nähe der Quelle, von der offenbar solch heftige »Eruptionen« ausgingen, dass selbst das Zeitgefüge davon beeinflusst werden konnte.
Was Zamorra dabei am meisten wunderte, war, dass es so lange gedauert hatte, bis der Komaschläfer - wenn er tatsächlich dahintersteckte - dieses Potenzial aktivierte.
Seine Gedanken schweiften ab zu dem Moment, da sie mit dem Unbekannten konfrontiert worden waren, damals im Tate Britain; kurz nachdem es Zamorra gelungen war, Nicole aus der Vergangenheit zurückzulotsen - in Gestalt des FLAMMENSCHWERTES. Das Amulett hatte den Hauptbeitrag geleistet, um seine Gefährtin aus ihrer gefälschten Identität als Meredith Grosvenor zu reißen und sie erkennen zu lassen, welch böses Spiel eine magische Macht mit ihr trieb. Aus der Gegenwart war sie durch ein Wandbild im Tate Britain ins London des 18. Jahrhunderts versetzt worden. Bar jeder Erinnerung an ihre wahre Persönlichkeit, hatte sie geglaubt, die tot geglaubte Ehefrau des Adligen Robert Grosvenor zu sein und mit ihm auf dessen Landgut gelebt zu haben, bis… ja, bis sie im Moor umkam. Oder doch nicht? Manchmal, so hatte sie erzählt, hatte sie sich gefühlt, als wäre sie wahrhaftig eine auferstandene Tote gewesen, die es magnetisch zu ihrem Gemahl und ihrer kleinen Tochter zurückgezogen hatte. Und als sie eines Nacht dort auf dem Gut ankam, war sie von Mann und Kind mit offenen Armen empfangen worden. Beide hatten nicht wirklich wissen wollen, wo sie ein ganzes Jahr lang gewesen war ( im nassen dunklen Moorgrab! - ihn schauderte noch jetzt). Beide schienen von etwas besessen zu sein, das sie davon abhielt, ihren Verstand einzusetzen und stattdessen darauf konditionierte, die Heimkehr der geliebten Frau und Mutter einfach zu akzeptieren.
Und dann hatte Robert Grosvenor versucht, sich ihr zu nähern. Körperlich zu nähern…
Wieder schauderte Zamorra ob der Erinnerung an Nicoles späteren Bericht. Grosvenor hatte den Anschein erweckt, als wäre er ferngesteuert. Als wäre es nicht seine eigene Sehnsucht, die ihn zum Liebesspiel mit seiner vermeintlichen Frau anspornte. Etwas anderes lenkte ihn. Jene furchtbare finstere Macht, die tief im Boden unter dem Landgut - wo später ein obskures Gefängnis und noch später das Tate Britain erbaut werden sollten - hauste.
Für einen Moment war ihm, als wäre etwas von den eigenen Gedanken auf Nicole übergesprungen, denn nun schauderte auch sie, wankte sogar merklich.
»Was ist, Chérie? Geht es dir -«
Weiter kam er nicht. Der Mann, den Hogarth nach dem nächsten Intervallzeitpunkt gefragt hatte, sagte: »Da. Es fängt an!«
Nicole wiederum versicherte mit zittriger Stimme: »Alles in Ordnung. Bei mir ist alles in Ordnung.«
Dann schien auch sie gebannt zu sein von dem, was Zamorras sofortiges Interesse auf sich zog.
Patient X rutschte in das von Hogarth bislang nicht näher definierte Intervall …
... und begann auf seinem Krankenbett zu pulsieren .
***
»Er flackert «, brachte Nicole ihren Eindruck auf den Punkt. »Es sieht aus, als wäre er in einem Moment da, im nächsten nicht. Da. Weg. Da…«
So wirkte es tatsächlich, fand Zamorra. Zugleich beruhigte ihn ihre Analyse - sie schien sich wieder gefangen zu haben.
»Ja«, stimmte er zu. »Sieht so aus. Aber da passiert noch mehr. Etwas… scheint sich aufzubauen. Paul? Die Luft um den Mann herum scheint zu flimmern. Ist das eine Störung der Kameraoptik oder…«
»Gut beobachtet, Monsieur le professeur«, unterbrach ihn Hogarth. »Es baut sich tatsächlich etwas auf. Gleich wird es sich von ihm abstoßen. Da…«
Sie alle sahen es, wenn auch nur verschwommen: Eine Art Schemen löste sich wie eine fast durchsichtige Brandungswelle von Patient X und rollte der Kamera entgegen… rollte darüber
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