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0905 - Die Anstalt

0905 - Die Anstalt

Titel: 0905 - Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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hatte er eine solche Beklemmung verspürt, wenn es gegen die Ausgeburten der Hölle ging. Mit einem letzten Blick auf das flammende Symbol ließ er die Gürtelschnalle in seiner Hosentasche verschwinden und marschierte auf das Tor zu, das, wie man ihn hatte wissen lassen, niemand mehr zu passieren vermochte.
    Doch Hall war fest entschlossen, genau dieser Niemand zu sein…
    ***
    Genau vor dem stählernen Schott, das sich vor das konventionelle Tor geschoben hatte, blieb Arsenius Hall stehen. Es war immer noch hell, auch wenn die Sonne hinter den Dächern Londons verschwunden war. Ein Blick zur Themse zeigte Schiffer, die mit Gütern stromaufwärts fuhren.
    Als sein Blick zu den Fenstern des Millbank empor wanderte, wurde ihm endgültig bewusst, dass die Haftanstalt für jeden, der sie betrachtete, unübersehbar verändert hatte.
    Mit einer Gefängnisrevolte hatte man diese Veränderungen den Bürgern der Stadt erklärt, ebenso wie den Aufmarsch einer kleinen Armee, die das Millbank seit vergangener Nacht belagerte.
    Ein kluger Schachzug, fand Hall. Aber auf Dauer würden die Menschen sich nicht blenden lassen. Alles hing davon ab, wie schnell die Krise beseitigt wurde.
    Von ihm.
    Er lächelte. Sein Selbstbewusstsein würde ihm noch einmal zum Verhängnis werden. Aber er hatte in Edward Hawks Notizen geblättert, und spätestens nach der Lektüre wusste er, dass seinen Großvater derselbe Geist beseelt hatte wie ihn selbst. Und wohl auch seinen Vater. Albert Hawk.
    Von seinem Großvater war sicher anzunehmen, dass er tot war. Doch was war mit seinem Vater? Wohin hatte er sich abgesetzt? War es möglich, dass er irgendwo seinen Frieden gefunden, vielleicht sogar eine neue Familie gegründet hatte?
    Hall löste den Blick von den blinden Fenstern. Er hob die Hand und berührte die Oberfläche des unüberwindlich erscheinenden Hindernisses. Die Soldaten der Krone würden schwerstes Gerät auffahren müssen, sollte auch er scheitern. Und selbst mit Kanonen würde sich wohl eher eine Öffnung in die Mauer brechen lassen, als dass ein Stahl dieser Güte davon durchlöchert werden konnte.
    Hall schloss die Augen und nahm über die Fingerkuppen Kontakt zu dem Material auf. Er spürte eine Vibration, als würden im Millbank gewaltige Dampfmaschinen laufen. Wie er es unzählige Male vor normal verschlossenen Gebäude- oder Tresortüren getan hatte, um sein Budget etwas aufzubessern (Twist hatte davon nie etwas mitbekommen, er wollte den Jungen nicht verderben), schickte Hall eigene Stoßwellen durch den Stahl, um sich zu dem Punkt zu tasten, an dem der Mechanismus bedient und gesteuert wurde.
    Es bereitete ihm mehr Mühe als sonst, aber etwas anderes hatte er nicht erwartet. Das hier war völlig anders als sonst.
    Vor seinen geschlossenen Augen bildete sich eine Art Plan des Gebäudeaufbaus in dem Bereich, wo er stand. Aber nach einem Hebel, an dem er ansetzen konnte, um die Sicherung zu knacken, suchte er vergeblich.
    Was ist das für eine Konstruktion? Wer hat sie sich ausgedacht? Dieser Bentham… oder mein Großvater? Verdammt, da ist nirgends auch nur ein Ansatz, um dieses -
    In der Ferne, bei der Sperre, keuchten Männer auf. Aber die Geräusche verstummten abrupt.
    Hall fühlte sich so seltsam, dass er die geistige Verbindung mit dem Gebäude unterbrach und die Augen öffnete.
    Ihm war sofort klar, was passiert war, auch wenn er nicht wusste, wie es dazu hatte kommen können.
    Er stand auf der anderen Seite des Tores, im Inneren des Millbank Penitentiary!
    Und eine angsterfüllte Stimme rief: »Rühr dich nicht von der Stelle, Täuscher! Ich brenn dir eine Kugel in den Pelz! Du gaukelst vor, einer wie ich zu sein aber du kamst aus… aus dem Nichts…!«
    Halls Blick wanderte über seine unmittelbare Umgebung. Da lagen Menschen, reglos und in Blutlachen. Er zählte fünf Leichen, alle in Wärterkleidung, bevor seine Augen an einem sechsten hängen blieben, der noch aufrecht stand. Seine Kleidung war lädiert, eingerissen, es gab Schürfwunden. Er hielt ein Hinterladergewehr auf Hall gerichtet und war drauf und dran, abzudrücken.
    Hall blieb keine Zeit für Rücksichtnahme. Mit brutaler Entschlossenheit drang er ins Gehirn des Mannes ein, der sofort taumelte, die Waffe fallen ließ, auf die Knie fiel und sich mit beiden Händen an den Kopf fasste.
    Hall eilte zu ihm, trat das Gewehr außer Reichweite und lockerte den qualvollen geistigen Griff. Der Wärter starrte ihn an, schien zu begreifen, dass nur Hall hinter seinen

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