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0905 - Die Anstalt

0905 - Die Anstalt

Titel: 0905 - Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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zurückzugewinnen. Auf den zweiten Blick relativierte sich die vermeintliche Faszination bereits. So jung wollte er gar nicht noch einmal sein; zumal die Betroffenen dokumentierten, dass sie sämtliche Erfahrung und Erinnerung an ihr späteres Leben verloren hatten.
    Ein zu hoher Preis, wie er fand.
    »R2D2« schwieg beharrlich, von Zamorra auch nicht anders erwartet, und so näherte sich das im Kampf gegen die Dunklen Mächte erprobte Paar dem Schläfer mit den weit offenen Augen.
    »Ob er uns wahrnimmt?«, fragte Nicole.
    »Wir werden sehen.«
    »Was hast du vor?«
    »Ich will ihn ein wenig kitzeln.«
    »Kitzeln?«
    »Mit dem Amulett.«
    »Pass auf uns auf.«
    »Selbstredend. Zuerst probiere ich es auf die konventionelle Art. Oder willst du das übernehmen?«
    »Mach nur.«
    Er nickte, trat dicht an das Kopfende des Bettes und streckte die Hand aus, um damit vor den starr geöffneten Pupillen hin- und herzufuchteln.
    Eine erkennbare Reaktion blieb aus.
    Zamorras Blick huschte kurz über die EEG- und EKG-Anzeige. Er war geschult genug, um zu sehen, dass die Werte das genaue Gegenteil von Wachzustand ausdrückten.
    »Er ist immer noch nicht bei sich - soweit ich es beurteilen kann.«
    »Irgendetwas hat die Lider zurückgeschoben. Soll ich… soll ich sie wieder schließen? Ich meine… der starre Blick macht mich ganz hibbelig.«
    »Er starrt mich, an, nicht dich.«
    »Umgekehrt. Er starrt, seit wir reingekommen sind, auf mich. Wenn er zu dir blicken würde, müssten seine Pupillen…«? Zamorra brachte sie mit einer Geste zum Schweigen. Schon gut, signalisierte er. Das ist jetzt unwichtig. Für dich sieht es offenbar so aus, für mich genau konträr. Damit sollten wir uns nicht aufhalten. »Okay, schließ sie, wenn es dir gelingt.«
    »Selbst Toten kann man die Lider dauerhaft nach unten schieben.«
    »Der hier ist aber nicht tot - und noch dazu ein ungelöstes Rätsel. Du weißt, wie er aussah, als ihn das Bild im Tate ausspuckte.«
    »Er trug eine alte Uniform, die Hogarth später eindeutig der Millbank-Periode zuordnete, kurz vor seinem Abriss.«
    »Um achtzehnhundertneunzig herum«, pflichtete Zamorra ihr bei. »Die Kraft, die unter dem Tate hauste, vielleicht sogar noch haust, muss ihn aus seiner Zeit zu uns gespült haben. Über den Grund wissen wir nichts. Noch weniger also als über das eigentliche Mysterium, das sich im Boden unter dem Tate verbirgt und das uns vom Amulett in einer flüchtigen Bilderschau offenbart wurde.«
    »Du meinst das… diese Art Stonehenge, die die Vision uns sichtbar machte?«
    Zamorra nickte. »Ein unterirdisches Stonehenge. Es muss sehr alt sein. Früher war Moor, wo später die Mühle der Westminster-Abtei, danach das Grosvenor-Landgut, wieder etwas später die Millbank-Haftanstalt und zu guter Letzt das Tate Britain standen beziehungsweise noch steht. Möglich, dass das Moor das Steinmonument einst verschlang. Unsichere Bodenverhältnisse…«
    »Daran glaube ich nicht.«
    »Ja, ich auch nicht, ich geb's zu.« Er wartete, dass Nicole ihre Ankündigung wahr machte und dem Koma-Schläfer die Augen schloss. Doch als sie dann die Hand ausstreckte, um es zu tun, riss er sie schnell zurück.
    »He!«
    »Hast du das nicht gesehen?«
    »Was?«
    »Es fängt wieder an.«
    »Aber -«
    Dem Intervall war es offenbar egal, ob es vermeintliche Aktivitätszeiten einhielt oder nicht.
    Von einem Moment zum anderen begann der Schläfer zu takten .
    Weg. Da. Weg. Da…
    »Verschwinden wir?«, fragte Nicole.
    Zunächst antwortete Zamorra nicht, dessen Geist sein Fühler ins Amulett eintauchen und sich von dort aus zu dem Koma-Patienten hintastete. Dann sagte er: »Nein. Ich… ich bekomme das in den Griff.« Er ließ offen, was genau er damit meinte.
    Indes wuchs Nicoles Unbehagen so stark an, dass sie ernsthaft überlegte, ob sie den Rückzug nicht notfalls auch allein antreten sollte - aus dem Wirkungsradius heraus. Zamorra glaubte sie geschützt, aber ob er bei einer eskalierenden Bedrohung nicht auf jede Kraftreserve des Amuletts angewiesen sein würde, um die Kontrolle über die Situation zu wahren, die dann von ihr beansprucht wurde, war kaum absehbar.
    Durch ihren Rückzug wollte sie Zamorra entlasten…
    ... aber war es dafür nicht bereits zu spät?
    Wie lange hatte die Welle vorhin gebraucht, um sich aufzubauen und zu entladen?
    Noch während sie überlegte, wurde ihr klar, dass sie sich auf keine Zeitmaßgabe verlassen durfte - das hatte das viel zu rasch wiederkehrende Intervall

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