0905 - Puppenterror
ihrer Lage.
Ich konzentrierte mich auf ihre Gesichter, weil ich einfach eine gewisse Spur von Leben oder Bewegung darin entdecken wollte. Aber da war nichts. Sie alle hatten die glatten, toten Fratzen, und ihre Augen, falls sie vorhanden waren, starrten durchweg ins Leere.
Man mußte schon einiges an Nerven mitbringen, um diesen Anblick ertragen zu können. Es lag auch an der schwammigen Beleuchtung, daß mich die Puppen an aus den Gräbern gekrochene Leichen erinnerten, aber keine von ihnen zeigte ein Leben.
Bisher zumindest nicht. Wir schauten uns die Puppen aus der Nähe an. Manche hielten die Arme gestreckt, manche gesenkt, andere wiederum versperrten uns den Weg.
Suko runzelte die Stirn, was ich genau mitbekam. »Was denkst du jetzt?« fragte ich.
»Ich kann es dir nicht genau sagen. Manchmal komme ich mir vor wie jemand, der zwar geht, aber bei seinen Schritten immer wieder ins Leere tritt. Hoffentlich haben wir uns da nicht in etwas verrannt.«
»Nein, haben wir nicht, Suko. Es hat diese lebende Puppe gegeben, und es gab nicht nur mich als Zeugen.«
»Das bestreite ich auch nicht.«
»Aber…?«
»Ich frage mich, ob sie von hier stammt. Bisher haben wir ja keinen Hinweis entdeckt.«
Es gibt Situationen, wo ich sehr stur sein kann. Das war hier der Fall. »Wir haben noch nicht richtig angefangen, Suko. Aber wenn du willst, brauchst du nicht bei mir zu bleiben.«
»Darüber denke ich tatsächlich nach.«
»Warum?«
»Ich möchte das Paar nicht aus den Augen lassen.«
»Okay, wie du willst.«
»Gut, ich warte vorn auf dich.«
Ich nickte und suchte eine Lücke, durch die ich auch in die hinteren Reihen der Puppen gelangen konnte. Das Schließen der Tür war kaum zu vernehmen. Ich war allein mit den Puppen, und seltsamerweise überkam mich das Gefühl, doch nicht das einzige Lebewesen zu sein…
***
Suko hatte den Lagerraum hinter sich gelassen und ging durch den Flur zurück. Etwas kühle Luft fächerte in sein Gesicht, denn die Haustür stand offen.
Er sah Chan auf der Treppe stehen und mit einem Mann sprechen. Im Hintergrund schimmerte der grüne Lack eines Lieferwagens. Im Flur und neben der Tür standen einige Kartons. Das Künstlerpaar mußte eine Warenlieferung bekommen haben.
Der Pferdeschwanzträger unterschrieb etwas und drehte sich um. Das sah Suko nicht mehr, denn er hatte bereits den großen Raum betreten und wurde von Diana Perl angeschaut, die seitlich auf einem Stuhl hockte und gelassen eine Zigarette rauchte.
»Wo ist denn Ihr Kollege?«
»Noch bei den Puppen.«
Sie rauchte und grinste. »Er scheint mir ein richtiger Fetischist zu sein. Steht wohl auf Puppen, wie?«
»Nur wenn es sich um veränderte handelt.«
»Aha.« Sie stäubte Asche in das kleine Tongefäß auf ihren Oberschenkeln. »Sind die Puppen verändert?«
»Bisher haben wir nichts entdecken können.«
»Das werden Sie auch nicht.«
»Warten wir es ab.«
»Sicher«, sagte Diana Perl. Sie drückte die Kippe aus. Ihr Partner schleppte und schleifte die Kartons in den Raum. Die Perl grinste. »Darin sind keine Puppen, Suko, wir haben neue Farbe bekommen.«
»Die brauchen Sie ja.«
»Klar.« Sie wandte sich an Darius Chan. »Ist alles in Ordnung gewesen?«
»Keine Probleme.«
»Wunderbar.«
Suko hatte zugehört. Die gesamte Unterhaltung war ihm wenig echt vorgekommen, eher künstlich.
Er glaubte daran, daß man ihm etwas vorspielte. Ein Stück heile Welt, die tatsächlich so heil nicht war.
Gefährliche Dinge schienen dahinterzustecken.
Darius hatte sich wieder aufgerichtet. Er rieb seine Hände ab und sagte: »Ich gönne mir noch einen Schluck.«
»Meinetwegen, aber besauf dich nicht! Du weißt, daß wir verdammt viel zu tun haben.«
»Keine Sorge, ich kann einiges vertragen.« Er ging wieder zu dem kleinen Tisch hin, wo mehrere Flaschen standen, und seine Partnerin stand auf. Sie lächelte Suko katzenhaft falsch an. »Was denken Sie über uns? Bestimmt nichts Gutes - oder?«
»Ich versuche, neutral und unvoreingenommen zu sein.«
»Oh? Tatsächlich? Dann glauben Sie möglicherweise nicht daran, was Ihr Partner sagte.«
»Das hat damit nichts zu tun.«
»Haben Sie die angeblich lebende Puppe denn gesehen?«
»Nein, aber er und auch andere Zeugen!«
Die letzten Worte ließen die Frau aufhorchen und anschauen. »Andere Zeugen?«
»Ja.«
»Zum Beispiel?«
Diesmal lächelte Suko. »Das spielt doch keine Rolle, wo Sie sowieso nichts damit zu tun haben.«
»Stimmt schon, Mister, aber wir
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