0908 - Das Golem-Trio
Sündenfall, seine Schwester Altea, zerstört worden, und diesen Anblick hatte er nie vergessen. Sinclair hatte ihr das Kreuz in den Schädel gerammt. Zwischen den Grabsteinen auf dem alten jüdischen Friedhof war Alteas Existenz ausgelöscht worden.
Das hatte Cigam nicht vergessen. Da war in ihm etwas gebrochen und gleichzeitig neu geboren worden. Sein Haß hatte sich noch mehr verstärkt, und er würde Sinclair packen. Eines Tages würde er an ihn herankommen. Die Vorbereitungen traf er bereits jetzt.
Man hatte ihm versprochen, daß er zu einem Gott werden konnte. Zu einem, der erschuf, der der Welt ein neues Gesicht gab. Der aus der Erde einen Menschen formte, um diese Gestalt in die Welt zu schicken, damit sie nach seinen Vorstellungen verändert wurde.
Aber er war noch nicht perfekt. Etwas fehlte. Er stand noch am Anfang, er würde aber weitermachen. Zuvor jedoch mußte er seine Feinde ausschalten. Dazu gehörten nicht nur John Sinclair, sondern auch andere Menschen.
Deren Bilder schwammen wie verwaschene Bilder durch den trüben See der Erinnerung. Er hatte die Gesichter vor sich gesehen, er würde seine Liste auch verlängern, aber er wollte es zunächst bei bestimmten Personen belassen, die er näher kannte.
Da war diese Collins. Sie hatte einmal auf der anderen Seite gestanden, sich es dann wieder überlegt und war zu seinem verfluchten Todfeind zurückgekehrt. Auf seiner Liste standen auch ein gewisser Conolly und seine Familie. Ihn kannte er ebenfalls, und natürlich Sinclair, aber auch dieser Chinese.
Sinclair saß im Flugzeug. Er schwitzte Blut und Wasser. Er würde die große Angst spüren, denn diesmal war er der Gefangene. Cigam war es gelungen, im Verein mit dem Schicksal, die Rollen zu tauschen, und er stellte sich vor, wie der Geisterjäger vor ihm zitterte.
Sicherlich rechnete Sinclair mit einer großen Macht oder Kraft, die in dem Kunstgeschöpf des Teufels steckte. Und er würde auch überlegen, ob es Cigam dank seiner unfaßbaren Kräfte gelingen konnte, den Clipper mitsamt seinem Passagieren zu vernichten.
Cigam war von der Idee begeistert. Seine blaßgraue Zunge umwanderte die kaum erkennbaren Lippen in einem Gesicht, das wie ein unfertiges Puzzle wirkte. Wenn Sinclair tatsächlich so dachte, dann hatte er recht, denn das war letztendlich Cigams Bestreben.
Eine gute Idee.
Es war noch Zeit.
Sollte Sinclair doch schmoren. Er hatte noch einige Überraschungen für ihn, und er dachte daran, die Flugzeit zu verlängern, Sinclairs Angst und die der anderen Menschen noch anzuheizen.
Cigam hoffte nur, daß er Kraft genug hatte, um diese Pläne zu erfüllen.
Er legte sich wieder zurück. Der Raum war dunkel, sogar schwarz, weil lichtlos. Und Cigam wußte nicht, ob draußen die Nacht oder der Tag gegen die fensterlosen Mauern drückte.
Es war ihm egal.
Einem Gott mußte das egal sein. Für ihn gab es keine Zeit. Es gab für ihn nur den Erfolg…
***
Sheila Conolly drückte leise die Tür des Arbeitszimmers auf und sah ihren Mann am Schreibtisch sitzen. Sie hörte auch sein Fluchen und mußte lächeln, denn Bill wühlte mit beiden Händen in einem Wust von Unterlagen herum, weil er auf der Suche nach einer bestimmten Meldung war. Daß Sheila die Tür aufgezogen hatte, war ihm gar nicht aufgefallen. Als sie zweimal gegen das Holz klopfte, da schreckte Bill zusammen und schaute hoch. Sheilas Lachen perlte ihm entgegen. Sie mußte einfach über den Gesichtsausdruck ihres Mannes lachen, der in diesem Augenblick wirklich, etwas dümmlich und naiv aussah.
»Hach, du bist es. Meine Güte, hast du mich erschreckt.« Er hob die Schultern und deutete auf die Papiere. »Ich bin völlig von der Rolle.«
»Warum?«
»Ich finde einige Unterlagen nicht.«
»Vielleicht solltest du dich stärken.«
»Womit denn?«
»Mit einem Essen.«
»Essen, Sheila? Was meinst du damit?«
»Lunch.«
»Jetzt schon…?«
»Du hast Nerven. Es ist Mittag, und ich habe Hunger, deshalb habe ich mir eine Kleinigkeit aufgebacken. Ich habe sicherheitshalber für dich etwas mitgemacht. Komm.«
Der Reporter nickte. »Ja«, sagte er dann, »das wird es wohl sein.« Er räusperte sich. »Was gibt es denn?«
»Eine Gemüsetarte.«
»O je…«
»Für dich eine mit Fleisch.«
»Danke.« Bill reckte sich, stand auf, winkte zu seinem Schreibtisch hin wütend ab und ging hinter Sheila her. Kopfschüttelnd und murmelnd, weil er nicht verstand, daß seine Unterlagen verschwunden waren, die er für einen Bericht brauchte,
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