0908 - Höllenbrut
Verstand, oh bodenloser Abgrund der höllischen Tiefen…«
Stygia sah ihren Haushofmeister an und hob leicht die Augenbrauen. Mit einem kurzen Zucken ihrer Hand setzte sie ihn in Brand. Ungläubig sah er an sich herab, wie die Flammen an ihm hoch leckten. Dann fing er schrill an zu kreischen.
Stygia verdrehte die Augen und hob eine Hand an ihr Ohr. »Oh bitte. Ich bin wirklich nicht in Stimmung…«
Eine der Amazonen ließ den Arm des Gefangenen los, hob ihre Lanze und rammte sie dem Vogeldämon durch den weit geöffneten Schnabel. Das Schreien verstummt.
»Danke.«
Die Amazone zog ihre Lanze mit einem Ruck aus dem zu Boden gefallenen Körper und ließ sich auf die Knie sinken.
»Für euch mein Leben, Ministerpräsidentin.«
Ihre Kampfgefährtin folgte ihrem Beispiel. »Für euch mein Leben, Ministerpräsidentin.«
Stygia lächelte zufrieden und beglückwünschte sich zur Wahl ihrer Leibgarde. Die Amazonen hatten einfach einen gewissen menschlichen Charme und wussten zu handeln. »Wen habt ihr da?«
Die Kriegerin antwortete mit gesenktem Haupt. »Wir haben diesen widerwärtigen Halbmenschen erwischt, wie er immer wieder Fragen nach einem eurer Widersacher gestellt hat, Professor Zamorra.«
Stygia runzelte die Stirn. »Zeigt mir den kleinen Möchtegern-Spion.«
Die Amazonen packten ihren Gefangenen mit offenem Ekel und richteten ihn zwischen sich auf. Ein Auge war zugeschwollen, Blut tropfte ihm aus dem Mundwinkeln und ein Arm war offensichtlich gebrochen. Er stöhnte.
Stygia lehnte sich neugierig vor. »Hast du einen Namen?«
»Said« sagte er mühsam, seine Stimme war kaum zu verstehen. »Vom Stamm der Mal'akin.«
»Wieso fragst du nach diesem Menschenmagier Zamorra?«
Said murmelte etwas Unverständliches. Stygia richtete ungeduldig ihren Blick auf die Kriegerin mit der blutigen Lanze.
»Als wir uns mit ihm… unterhalten haben, berichtete er, dass sich Zamorra bei den Mal'akin aufhält.«
Stygia stockte kurz. »Zamorra ist bei der Anführerin der Menschen-Halbbrut?« fragte sie ungläubig. »Der Meister des Übersinnlichen im Reich der Succubus?« Die Dämonin warf ihren Kopf zurück und begann aus voller Kehle zu lachen. Ihr Gelächter stieg auf, brach sich in den scharfkantigen Bögen des Gewölbes und hallte, bis es den düsteren Saal auszufüllen schien.
Die Amazonen warteten geduldig, bis sich ihre Herrin wieder etwas beruhigt hatte.
»Da hat sich die Mal'akin aber einen dicken Fisch an Land gezogen. Danke für diesen Scherz, Halbbrut, du hast mir den Tag gerettet«, keuchte Stygia und wischte sich Lachtränen aus den Augen. Sie schüttelte den Kopf und grinste breit.
Die Ministerpräsidentin stand auf und strich sich geruhsam die nicht vorhandenen Falten ihres ebenso wenig vorhandenen Gewandes glatt. »Und freu dich, du hast dir damit gerade dein kleines Leben gerettet.« Sie ging zu ihm und beugte sich vor. Ihr Atem strich duftend wie Schwefel und Tollkirsche über seine gebrochene Nase. Mühsam hob Said den Kopf.
»Obwohl ich mir sicher bin, dass meine Amazonen ihre verabscheute Verwandtschaft mit Freude zerrissen hätten. Ich sag dir was, ich bin heute sehr großzügig«, flüsterte sie und sah ihn mit strahlenden Augen an. »Du kehrst zu deiner Herrin zurück und richtest ihr die Grüße der neuen Ministerpräsidentin aus. Sag der kleinen Liebesdämonin, dass sie sich da einen großen Mann in ihr Reich geholt hat. Sag ihr, dass er bestes… Potenzial hat. Ich habe nichts gegen ihr kleines Spiel, auch wenn ich nicht an ihren Erfolg glaube. Aber allein die Vorstellung ihres Versuchs amüsiert mich mehr, als du Missgeburt jemals ahnen könntest. Ich habe nur eine Bedingung für dein Leben: Ich möchte als erste erfahren, wenn sie sein Kind tragen wird…«
***
»Schuhe wären toll.« Nicole saß auf einer der groben Bänke, die an die Wand des Gemeinschaftshaus standen. Einen Fuß hatte sie auf den Oberschenkel gelegt und klopfte Dreck und Steine ab. »Und wenn es geht noch etwas zum Drüberziehen, das wäre der Hit.«
Sie strahlte den jungen Mann vor sich an, der sie mit einem etwas abwesenden Gesichtsausdruck betrachtete. Zamorra hatte den starken Eindruck, dass dieser nicht wirklich hörte, was Nicole gesagt hatte. Er schmunzelte.
Jared trat von hinten an den Jungen heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Gizur, geh zu Sylvan. Er wird dir helfen, etwas Passendes zu finden.«
Mühsam riss Gizur seinen Blick von Nicole, nickte und ging.
Jared sah ihm nachdenklich nach.
Weitere Kostenlose Bücher