0908 - Höllenbrut
mit den Schultern und mussten kurz grinsen. Mit einer Verbeugung ließ Zamorra seiner Gefährtin den Vortritt.
Die Hände immer noch in den tief sitzenden Jacketttaschen vergraben ging Nicole auf Zehenspitzen durch das braunrote trockene Gras. Sie hielt mit den vier Männern Schritt und sagte nichts, aber Zamorra konnte sich vorstellen, dass Barfußlaufen hier nicht gerade angenehm war. Ohne zu Zögern fasste er seine schlanke Gefährtin von hinten um die Taille und mit einem Schwung nahm er sie auf die Arme.
»Hey!« Nicole zappelte.
»Du willst doch nicht ernsthaft weiter barfuß durch die Hölle laufen, oder?«, brummte Zamorra gutmütig und packte sie etwas fester. »Wenn du fußlahm wirst, weiß ich doch, wer darunter zu leiden hat.«
»Blödmann«, murmelte sie und hielt still.
Nicole legte einen Arm um seinen Nacken und stützte sich mit der anderen Hand leicht an seiner Brust ab, um besseren Halt und damit die Umgebung besser im Blick zu haben. Zamorra legte einen Schritt zu. Der Professor sah zwar schmal aus, aber er war durchtrainiert und einiges mehr an Belastung gewohnt. Ihr Gewicht würde ihm für eine Weile nichts ausmachen. Bald schlossen sie zu Jared und seinen Begleitern auf, die das kurze Intermezzo zu ignorieren schienen.
»Für viele von uns ist es der letzte Zufluchtsort«, fuhr Jared ungerührt fort, kaum dass sie neben ihm ging. Den Blick hatte er nach vorne gerichtet.
»Du meinst Oxalis? Wovor bietet es eine Zuflucht?« fragte Zamorra.
Jared sah kurz zu ihm herüber und lächelte ohne Humor.
»Wovor wohl? Ihr seht aus, als hättet Ihr am eigenen Leib mitbekommen, wie das Leben sein kann, trotz Eurer guten Kleidung. Wir flohen aus der Welt der Menschen nach Oxalis. Wir flohen aus dem Leben, dass wir auf der Erde geführt haben, und das für uns und andere zur Qual wurde. Johann war arbeitslos und Alkoholiker, er schlug seine Mutter und seine kleine Schwester und weinte danach. Traian wurde gegen seinen Willen verheiratet und musste mit ansehen, wie die Frau, die er trotz allem liebte, von seinem Dorfältesten als Prostituierte ins Ausland verkauft wurde. Alle Bewohner von Oxalis sahen keinen Ausweg aus ihrem Leben - und uns allen haben Schlüssel einen Weg in diese Welt geöffnet, in dem uns von den Mal'akin die Möglichkeit für ein besseres Leben gegeben wurde.«
Zamorra und Nicole sahen ihn ungläubig an.
»Ich weiß, das hört sich für viele ein wenig seltsam an, aber manchmal ist die Hölle nicht der schlimmste Ort, an dem man sein kann«, sagte Traian leise. Seine Stimme war seltsam tief und er sprach ein wenig ungelenk.
» Ein wenig seltsam ist gut«, erwiderte Nicole.
Die seltsame Gruppe näherte sich schnell dem Wäldchen und trat in den Schatten der Bäume. Zamorra war froh, den roten Himmel nicht mehr über sich zu spüren, doch die Bäume waren seltsam verformt, ohne dass er genau sagen konnte, was anders war. Sie sahen jedenfalls aus wie Bäume. Der Magier kniff die Augen zusammen. Die Schatten auf den Blättern und Grashalmen hatten einen rötlichen Rand, der wie aufsteigende heiße Luft leicht flirrte und so verhinderte, so dass er seine Umgebung deutlich wahrnahm. Zamorra konzentrierte sich auf einen Ast, versuchte die Umrisse klar wahrzunehmen. Doch seine Pupillen fokussierten wie eine kaputte Kamera unkontrolliert hin und her. Er spürte, wie seine angestrengten Augen anfingen zu tränen. Er gab auf, die Natur der Bäume ergründen zu wollen.
»Wie funktionieren die Schlüssel?« fragte er.
Jared warf ihm einen undeutbaren Blick zu. »Nicht jeder kann mit einem Schlüssel den Weg nach Oxalis finden. Nur ein Mann mit besonderem Potenzial, innerer Kraft und dem starken Willen, seine Welt und sich selbst zu verlassen, ist dies möglich. Er findet einen Schlüssel, benutzt ihn zur richtigen Zeit - und öffnet ein Tor.«
»Und wenn er nicht… abhauen möchte?« unterbrach ihn Nicole.
»Dann passiert nichts.«
Nicole stutzte und sah ihren Gefährten nachdenklich an.
Jared fuhr fort. »Hier in Oxalis, im Land der Mal'akin, wird ihm eine neue Chance geboten, egal wer er war oder was er getan hat. Wenn er sich als würdig erweist, wird er in die Gemeinschaft aufgenommen, die seine Persönlichkeit und Fähigkeiten akzeptiert und schätzt. Hier kann er frei wählen. Niemand wird ihm vorschreiben, wie er sich nützlich machen muss.«
»Und das ist mehr, als man vielen von uns vorher zugestanden hat«, warf Traian ein.
Jared nickte. »Ja, es ist erstaunlich, wie
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