0909 - Das Opfer
Lücken auf, um in den Park hineinschauen zu können, und Jane glaubte auch, ein zweites Haus zu sehen.
Es stand ein Stück entfernt, war wesentlich kleiner, und sein Dach sah aus wie eine kleine Kuppel.
Das Haus interessierte sie. War es bewohnt? Stand es leer? Als was wurde es gebraucht?
Jane stellte fest, daß sie bis zum Essen noch etwas Zeit hatte. Ein Spaziergang an der frischen Luft würde ihr guttun. Zudem hatte sie jetzt ein Ziel vor Augen.
Sie drehte sich vom Fenster weg und ließ ihren Blick durch das Zimmer wandern.
Die Möbel warfen erste Schatten, die sich auf dem Boden breitmachten. Jane überlegte. Etwas störte sie. Schon beim ersten Eintreten hatte sie darüber nachgedacht, es aber wieder vergessen.
Was war es nur?
Bevor sie das Licht einschaltete, verschwanden die Scheiben hinter den Vorhängen, dann durchwanderte die Detektivin wieder den Raum, sehr nachdenklich, mit zusammengepreßten Lippen und leicht zerfurchter Stirn. Da fiel es ihr ein. Jetzt wußte sie, was hier fehlte und wonach sie gesucht hatte.
Es gab kein Telefon!
Ausgerechnet hier. Der Kontakt zur Außenwelt war nicht gegeben. Ob sich in Romanas Zimmer ein Telefon befand, konnte sie nicht sagen, aber hier stand keines.
Es war nichts mit dem Anruf! Jedenfalls nicht aus diesem Zimmer, doch Jane wollte nicht unbedingt, daß jemand zuhörte, wenn sie mit ihren Freunden telefonierte. Da mußte sie sich etwas einfallen lassen. Aber bei ihrem Spaziergang wollte sie schon bleiben.
Jane streifte die wollene Jacke über und löschte das Licht. Sie stand an der Tür und warf einen letzten Blick zurück in das dunkle Zimmer, in dem die Möbel zu starren Gespenstern geworden waren und sie drohend beobachteten.
Sie schüttelte den Kopf und warf damit auch ihr Gefühl ab. Rasch verließ sie den Raum.
Der Gang war vom Licht erhellt. Kahle Wände, die von keinem Bild geschmückt wurden. Die kalte Atmosphäre war geblieben, und sie trieb der Detektivin den öligen Schweiß auf die Stirn. Sie fühlte sich bedroht, obwohl sie keinen sah, huschte auf die Tür des Fahrstuhls zu, ohne sie zu öffnen, denn sie hatte leise Stimmen gehört. Sie drangen durch die geschlossene Tür aus der Wohnung der Tochter.
Jane blieb noch eine Weile stehen, um zu lauschen. Zu verstehen war leider nichts, der Klang aber sagte ihr genug. Romana redete auf Greta ein, die nur hin und wieder etwas sagte.
Jane wollte sich als Lauscherin nicht unbedingt überraschen lassen, deshalb öffnete sie die Tür des Fahrstuhls. Sie mußte nur auf einen Knopf drücken. Es war eine geräumige Kabine, in der auch ein Rollstuhl bequem Platz hatte.
Jane ließ sich nach unten fahren. Ihr Herz klopfte schon schneller, als sie die Halle betrat. Für einen Moment dachte sie daran, von hier aus zu telefonieren, aber sie verwarf den Gedanken wieder. Darum konnte sie sich noch später kümmern.
Die Halle war menschenleer. Eine einsame Standlampe nahe der Tür warf ihr Licht auf den Boden.
Die Lampe war ein modernes Stahlgebilde und paßte nicht in das Haus.
Jane wollte auf die Haustür zu, öffnete sie und spürte schon den kalten Luftzug, der ihr ins Gesicht wehte. Sie war froh, dieses große, düstere Gefängnis verlassen zu können und entfernte sich rasch…
***
»Ich werde sie töten, Greta!«
Die Frau sagte nichts. Sie ließ sich beim Beziehen des Betts nicht stören. Romana schlug mit der flachen Hand auf die Lehne ihres Rollstuhls. »Hast du nicht gehört? Ich werde sie töten!«
»Warte ab.«
»Nein und ja.«
Greta zupfte das Kopfkissen glatt. Dann drückte sie sich hoch und stemmte ihren Rücken durch, der im Frühjahr immer schmerzte. Sie konnte nichts dagegen machen, das war eben so. Langsam drehte sie sich um.
Ihr Schützling hockte in seinem Rollstuhl wie eine kleine Teufelin. Der Haß auf die fremde Person stand ihr ins Gesicht geschrieben. Die Augen leuchteten beinahe in einer gelben Farbe und hatten Ähnlichkeit mit denen eines Raubtieres bekommen. »Hast du mich nicht gehört, Greta? Ich habe gesagt, daß ich sie töten werde.«
»Sicher.«
»Mehr sagst du nicht?«
»Wie willst du sie töten?« Sie hob die Augenbrauen leicht an. »Mit deinem Messer?«
Greta war über die Klinge informiert.
Romana zeigte ein kaltes Grinsen. »Ich habe es bereits versucht. Ich bin mit dem Messer in der Hand auf sie zugefahren, aber sie war schneller als ich.«
»Sei froh!«
»Warum?«
Greta weitete ihre Nasenflügel, als sie tief Luft holte. »Kind, ich möchte dich
Weitere Kostenlose Bücher