0909 - Drachentod
dass sie nicht genauso endete wie Simon Wang.
Die schöne Chinesin war von ihrer üblichen »Uniform« aus schwarzem Jackett, weißem Hemd und schwarzer Hose abgewichen. Trotz der schwülen Hitze trug sie einen langen schwarzen Ledermantel, der ihr fast zu den Knöcheln reichte, dazu eine eng geschnittene Lederhose, Stiefel und ein schlichtes schwarzes T-Shirt.
In dieser Umgebung musste sie so wirken, als sei sie gerade einem Martial-Arts-Film entsprungen. Aber da sie sowieso davon ausging, beobachtet zu werden, hatte Unauffälligkeit nicht die oberste Priorität.
Das Haus ihrer Eltern befand sich im hinteren Teil des Ortes. Dort, wo sich nur wenige Touristen hin verirrten und die Gebäude ärmlicher wurden. Einige Einheimische blickten ihr neugierig hinterher.
Ihre Eltern bewohnten ein schlichtes zweistöckiges Haus, das in frischem Weiß erstrahlte. Ihr Vater hatte es im letzten Sommer gestrichen, und Chin-Li hatte ihm dabei geholfen. Es waren solche kleinen Aktionen, durch die sich Eltern und Tochter nach Jahrzehnten der Entfremdung ohne große Worte langsam wieder näher kamen.
Neben dem Eingang wachte immer noch die kleine Tin-Hau-Statue. Aber diesmal hat dein Schutz versagt , dachte Chin-Li bitter. Von unterwegs hatte sie noch mehrfach angerufen. Niemand hatte abgehoben.
Das Haus wirkte verlassen, aber von außen waren keine Spuren der Gewalt zu erkennen. Vorsichtig umrundete Chin-Li das Gebäude. Sie sah keine verdächtigen Bewegungen, hörte keine verdächtigen Geräusche, doch sie waren da. Daran hatte die Kriegerin nicht den geringsten Zweifel.
Entschlossen näherte sie sich dem Eingang. Die Haustür war unverschlossen.
Eine Einladung.
Chin-Li trat über die Schwelle, durchquerte den kleinen Vorraum und schob den Vorhang zur Seite, der in den Wohnbereich führte. Der schlichte, aber geschmackvoll eingerichtete Hauptraum war leer. Wachsam trat Chin-Li ein. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
Dann hörte sie ein Geräusch und wirbelte herum. In der offenen Tür zur Küche lehnte eine attraktive Chinesin und grinste sie an. Chin-Li erkannte sie sofort. Es war Lin, die verschollene Gespielin von Simon Wang.
Ich hatte also recht…
»Da bist du ja«, sagte Lin und rekelte sich am Türrahmen. Ihre fast lasziven Bewegungen erinnerten an eine Katze. »Wir haben dich erwartet.«
»Wir?«
Ein glucksendes Kichern ließ die Kriegerin herumfahren. In der Tür, durch die sie gerade gekommen war, stand eine weitere Frau. Sie musste sich im oberen Teil des Gebäudes versteckt haben und strahlte Chin-Li jetzt an. Äußerlich glich sie Lin fast wie ein Ei dem anderen. Nur ihr Haar war länger und zu einem Pferdeschwanz gebunden.
»Meine Schwester Maggie«, sagte Lin. »Sie ist extra für dich aus Paris hergekommen.«
»Miau«, sagte Maggie.
Dann griff sie an.
***
In Sekundenschnelle verwandelten sich die Wertigerinnen und stürzten sich auf Chin-Li. Die Kriegerin brachte sich mit einem Hechtsprung aus der unmittelbaren Gefahrenzone, wirbelte herum und ging zum Gegenangriff über. Sie schlug den wallenden Ledermantel zurück und riss aus zwei versteckten Scheiden an der Innenseite zwei Kurzschwerter hervor.
In der Regel verließ sie sich lieber auf Schusswaffen oder die tödliche Präzision ihrer Hände. Aber gegen die Tigerfrauen würden Kugeln und Kung-Fu wenig ausrichten.
Mit einem heiseren Fauchen schoss Maggie auf sie zu. Chin-Li wich der Attacke geschickt aus, rammte der Tierfrau das rechte Knie in den Unterleib und stieß zugleich mit den Schwertern zu. Die Klingen bohrten sich tief in Brust und Rücken der Wertigerin.
Rasend vor Wut brüllte Maggie auf und versuchte die Kriegerin abzuschütteln. Chin-Li riss die Schwerter aus dem Körper der rasenden Bestie und sprang zurück. Keine Sekunde zu früh, denn jetzt stürzte sich auch Lin auf sie. Die Kriegerin ließ die Klingen durch die Luft wirbeln und stieß sie der zweiten Katzenfrau bis zum Heft in den Unterleib.
Die Wunden würden die Kreaturen nicht töten, aber sie verursachten vermutlich höllische Schmerzen. Chin-Li wusste, dass sie ein hohes Risiko einging. Die Wertiger reagierten wie jedes verwundete Raubtier, sie liefen Amok. Das machte sie besonders gefährlich - aber auch unvorsichtig.
Rasend vor Zorn schnappte Lin nach ihr. Die rasiermesserscharfen Zähne verfehlten Chin-Lis Kehle nur um wenige Millimeter. Die Kriegerin spürte den nach Verwesung stinkenden Raubtieratem auf ihrem Gesicht und musste sich fast übergeben.
Ihre
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