0909 - Drachentod
Hände umfassten die Schwertgriffe noch fester. Mit einem schmatzenden Geräusch lösten sich die Klingen aus dem weichen Fleisch, als die Kriegerin die Bestie von sich stieß. Schwarzes Blut besudelte den blitzenden Stahl und klatschte in dicken Tropfen auf den Fußboden.
Chin-Li hatte keine Zeit, über diese Entweihung ihres Elternhauses nachzudenken, denn die beiden Tierfrauen starteten ihre nächste Attacke. Diesmal griffen sie von zwei Seiten gleichzeitig an. Geschickt tauchte die Kriegerin unter den Krallen hinweg und rammte Lin den rechten Ellbogen in den Rücken, als Maggie ihren linken Arm packte und zubiss.
Die junge Chinesin keuchte auf, als die mächtigen Kiefer ihren Unterarm wie ein Schraubstock umschlossen, doch der befürchtete Schmerz blieb aus. Stattdessen erklang ein hässliches Knirschen, und die Wertigerin ließ mit einem ungläubigen Winseln von ihr ab.
Das vorher so Furcht einflößende Gebiss der Tierfrau war eine einzige Ruine. Der obere linke Fangzahn war zur Hälfte abgebrochen und der rechte hing erkennbar lose im Kiefer. Schwarzes Blut bedeckte die verwüsteten Schneide- und die unteren Eckzähne.
Dort, wo die Wertigerin zugebissen hatte, war der Ärmel von Chin-Lis Mantel völlig zerfetzt. Doch unter dem zerrissenen Leder wurde jetzt die eingenähte Schicht aus Metallringen sichtbar, die die Kriegerin wie ein Kettenhemd vor den Bissen und Krallenhieben der Gestaltwandlerinnen schützte.
Chin-Li hatte diesen speziellen Kampfanzug nach ihrer letzten Begegnung mit den Tulis-Yon entwickelt, für den Fall, dass sie je wieder mit den wolfsköpfigen Kriegern aneinander geraten sollte. Schließlich verwandelte die kleinste Verletzung durch einen Tulis-Yon das Opfer unweigerlich selbst in einen von Kuang-shis Elitesoldaten. Doch offensichtlich bissen sich auch andere Höllenkreaturen an dem verstärkten Leder wortwörtlich die Zähne aus.
Die Tierfrauen starrten die chinesische Kriegerin aus blutunterlaufenen Raubtieraugen an.
»Dafür stirbst du«, fauchte Maggie hasserfüllt.
»Das glaube ich kaum«, erwiderte Chin-Li und riss die Kurzschwerter hoch. Die Klingen wirbelten durch die Luft, kreuzten sich in der Waagerechten und durchtrennten den Hals der Wertigerin in zwei sauberen Schnitten.
Lin kreischte ungläubig auf, als der Kopf ihrer Schwester zu Boden fiel. Der Rumpf sackte wie eine Marionette, deren Fäden durchschnitten waren, in sich zusammen.
»Nein!«, schrie Lin. »Verlass mich nicht!«
In den gelben Augen der Wertigerin glaubte die Kriegerin etwas zu sehen, was vorher noch nicht da gewesen war: Angst.
Offenbar waren die Tierfrauen bisher nie einem Gegner begegnet, der ihnen ebenbürtig war. Sie hatten mit Chin-Li Katz und Maus spielen wollen, doch da hatten sie sich gründlich verrechnet.
»Keine Sorge, du folgst ihr gleich«, zischte Chin-Li.
»Niemals!«, brüllte die Wertigerin und stürzte sich auf sie.
Die Kriegerin wurde von der unerwarteten Heftigkeit der Attacke überrascht. Sie warf sich zur Seite, doch Lin erwischte sie mit der rechten Pranke. Chin-Li spürte, wie das Blut über ihr Gesicht lief, als die messerscharfen Krallen ihre Wange zerrissen.
Doch die Kriegerin nahm die Schmerzen kaum wahr. Mit einem wilden Kampfschrei hämmerte sie der Wertigerin die Fäuste gegen die Brust und schleuderte sie gegen die Wand. Dann wirbelte sie einmal um die eigene Achse und setzte mit einem brutalen Tritt in Lins Unterleib nach.
Die Tierfrau brüllte auf und wollte sich erneut auf die Kriegerin werfen, doch da war Chin-Li schon bei ihr. Sie ließ das linke Schwert fallen und presste die Klinge des anderen seitlich gegen Lins Kehle. Das Raubtiergesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem eigenen entfernt, doch Lin konnte sich keinen Millimeter bewegen, ohne sich selbst zu verletzen.
»Mach schon, worauf wartest du?«, keuchte die Gestaltwandlerin. »Bring es zu Ende!«
»Wo sind meine Eltern? Was habt ihr mit ihnen gemacht?«
Lin kicherte leise. »Glaub mir, das willst du nicht wissen.«
Chin-Li drückte die Schwertklinge stärker gegen Lins Hals. Nur ein kleines bisschen, doch es reichte, um die Haut zu verletzen. Blut sickerte aus der oberflächlichen Wunde und färbte das dichte Fell schwarz. Lin stöhnte auf, sagte aber nichts.
»Wo sind sie? Wer steckt dahinter: die Neun Drachen?«
Lins Raubtierfratze verzog sich zu einem höhnischen Grinsen. »Wer hätte gedacht, dass die große Kriegerin so ein Muttersöhnchen ist? Brauchst du immer noch jemanden, der
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