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0909 - Drachentod

0909 - Drachentod

Titel: 0909 - Drachentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Balzer
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sie nichts von alledem. Chin-Li war einst die gefährlichste Attentäterin gewesen, die Hongkong je hervorgebracht hatte. Als ergebene Dienerin der Neun Drachen hatte sie gnadenlos jeden beseitigt, der den Plänen der Bruderschaft im Weg stand.
    Doch das war vor langer Zeit gewesen. In einem anderen Leben.
    Das Restaurant war gut besucht. Aber Chin-Li war nicht hier, um die Spezialitäten der thailändischen Küche auszuprobieren. Tatsächlich hatte sie ihr überteuertes Tofu-Curry kaum angerührt. Scheinbar gedankenverloren glitt ihr Blick über den von historischen Häusern eingerahmten Fluss, hinter denen in seltsamer Eintracht futuristische Bankgebäude in den Himmel ragten.
    Doch die chinesische Kriegerin interessierte sich nicht im Geringsten für die idyllische Aussicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt einem Pärchen, das selbstvergessen am anderen Ende des Restaurants saß und vor lauter Turtelei ebenfalls das Essen kaum angerührt hatte.
    Simon Wang arbeitete als Analyst an der Börse. Er war jung, erfolgreich und hielt nicht viel von ehelicher Treue. Seine schöne Begleiterin, die ihm gerade kichernd mit der Gabel ein Stück Huhn in den Mund schob, ahnte vermutlich nicht, dass er sie nach ein paar heißen Nächten genauso fallen lassen würde wie die unzähligen Geliebten vor ihr.
    Dummes Ding , dachte Chin-Li. Die junge Chinesin hieß Lin und kam aus Hongkong. Wang hatte sie vermutlich in einer der schicken Diskotheken aufgerissen, die er regelmäßig auf der Suche nach Frischfleisch durchstreifte, wenn ihn das Eheleben mal wieder langweilte. Doch seine Frau hatte genug von den Eskapaden ihres Mannes, also hatte sie eine Detektei beauftragt, ihr eindeutige Beweise für sein ehebrecherisches Treiben zu bringen.
    Und davon gab es schon mehr als genug. Während des Essens hatte Chin-Li mit einer in ihrer Sonnenbrille verborgenen Miniaturkamera Dutzende Bilder gemacht, die die schamlose Turtelei des Liebespaares in allen unschönen Details dokumentierte. Frau Wang würde nicht erfreut sein.
    Chin-Li hasste diesen Job. Die chinesische Kriegerin hatte einen ausgeprägten Sinn für Privatsphäre, und nichts war ihr unangenehmer, als in der dreckigen Wäsche anderer Leute zu wühlen. Aber auch sie musste von irgendetwas leben, und die Arbeit in der Detektei wurde zumindest gut bezahlt. Außerdem würde sie nicht lange in Singapur bleiben.
    Seit ihrer Abkehr von den Neun Drachen hatte Chin-Li ein unstetes Leben geführt. Sie war längst nicht mehr auf der Flucht. Der Orden hatte seiner abtrünnigen Tochter offenbar verziehen, und Meister Shiu hatte sie sogar vor über einem Jahr um Hilfe gebeten, als der geheimnisvolle Kult von Shada-Gor erneut sein grässliches Haupt erhoben hatte.
    Trotzdem zog es die ehemalige Profikillerin vor, möglichst nicht auf dem Radar der Bruderschaft zu erscheinen. Nicht alle Mitglieder des Ordens waren so gut auf die »Verräterin« zu sprechen wie das Drachen-Oberhaupt. Und Meister Shiu war alt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein anderer die Führung der Bruderschaft übernehmen würde.
    Die Kriegerin würde kein Risiko eingehen. Deshalb hatte sie auch sorgsam alle Spuren verwischt, als sie nach dem Tibet-Einsatz wieder Kontakt zu ihren Eltern aufgenommen hatte. Nach all den Jahren der Einsamkeit hatte sie wieder eine Familie! Und sie würde nicht zulassen, dass irgendetwas in der Welt ihr das wegnehmen würde.
    Eine plötzliche Bewegung am Nebentisch riss Chin-Li aus ihren Gedanken.
    Offenbar hatte das Paar genug vom Essen und wollte sich jetzt intimeren Freuden widmen. Simon Wang winkte großspurig dem Kellner und zahlte. Als das Paar eng umschlungen das Restaurant verließ, erhob sich die Kriegerin ebenfalls. Sie ließ ein paar Scheine auf dem Tisch liegen und reihte sich ein in den endlosen Strom der Nachtschwärmer und Touristen.
    Doch auch auf einem völlig menschenleeren Fußweg hätte das Paar seine Verfolgerin kaum bemerkt. Sie waren viel zu sehr auf sich selbst konzentriert. Immer wieder blieben Wang und seine Freundin stehen, um sich leidenschaftlich zu küssen. Chin-Li fand diese höchst unasiatische Zurschaustellung von Zärtlichkeiten abstoßend, aber sie erleichterte ihre Aufgabe.
    Langsam näherten sie sich der Elgin Bridge. Die Kriegerin hoffte, dass Wang seine Gespielin nicht noch in eine der angesagten Bars am Clarke Quay schleppte, doch sie hatte Glück. Er führte seine Geliebte direkt zum luxuriösen New Asia Hotel in der nahe gelegen Coleman Street. Ziemlich

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