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0910 - Der Totflüsterer

0910 - Der Totflüsterer

Titel: 0910 - Der Totflüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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viel stärker!«
    Zamorra zog das Amulett unter dem Hemd hervor und ließ es frei vor der Brust baumeln. Es war kalt und gab keinerlei Hinweise auf dunkle Magie in der Nähe.
    Sie machten einige zögerliche Schritte nach vorne und gelangten von dem kleinen in einen großen Hausflur. Von hier aus führten vier Türen in weitere Räume. Über eine breite, hölzerne Treppe gelangte man nach oben. Die Einrichtung, das Parkett, die edlen Tapeten - sie alle bewiesen den dicken Geldbeutel des Hauseigentümers. Dennoch wirkte es nicht protzig, sondern strahlte eine eigentümliche Gemütlichkeit aus. Oder es hätte sie ausgestrahlt, wenn es etwas weniger chaotisch gewesen wäre. Auf einem runden Tisch aus Nussbaumholz stapelte sich benutztes, von Essensresten verkrustetes Geschirr. Von den sechs Stühlen, die ihn umgaben, waren drei umgestürzt, einer sogar zerschmettert. Auf dem Boden lagen zerfetzte Sitzkissen, zerbrochene Teller und zerfledderte Zeitungen.
    Nach einigen Sekunden hatte Zamorra sich halbwegs an den Geruch gewöhnt. »Pereire sollte mal ein ernstes Wort mit seiner Reinigungskraft reden. Was zum Teufel ist hier passiert?«
    Wenn man von den Fliegen absah, die über das Geschirr krabbelten, konnte Zamorra niemanden sehen. Woher also war das Geräusch erklungen, das sie draußen gehört hatten? Und woher kam der Gestank? Von den wenigen Essensresten konnte es nicht sein.
    »Hallo? Ist jemand hier?«
    Er erhielt keine Antwort. Stattdessen erklang ein rhythmisches Knarzen.
    Nicole zeigte auf eine geschlossene Tür zu ihrer Linken. »Das kommt von da.«
    Zamorra nickte. Mit zwei Schritten war er dort, packte die Klinke - und griff in eine schleimige, klebrige Masse. Davon ließ er sich jedoch nicht abhalten und drückte die Tür auf.
    Ihm brandete eine Gestankwelle entgegen, die den Geruch im Flur wie den flüchtigen Hauch eines Aftershaves erscheinen ließ. Für einen Augenblick wurden Zamorras Knie weich und er musste sich am Türrahmen abstützen. Nicole gab ein entsetztes Keuchen von sich.
    In dem Raum war es stockfinster. Das musste das Zimmer sein, dessen Jalousien die Sonne aussperrten. Zamorra tastete mit der rechten Hand nach einem Lichtschalter. Als er ihn fand, fühlte er wieder den zähen, schmierigen Film darüber.
    Das Licht flammte auf und offenbarte ein Bild, das selbst für Zamorra trotz seiner jahrelangen Erfahrung im Kampf gegen das Böse das Grauen neu definierte.
    Sie hatten das Wohnzimmer gefunden. Oder das, was inzwischen daraus geworden war.
    »Oh, mein Gott!«, hauchte auch Nicole, die über Zamorras Schulter sah. »Was ist das? Eine Bruthöhle?«
    Der riesige Schrank, der Marmortisch, das Sofa - alles in diesem Raum war überzogen von einem Schleimfilm. Von der Decke hingen sechs… Ja, was war das eigentlich? Kokons? Larven? Irgendwer, irgendwas hatte aus der schmierigen, klebrigen Masse Hüllen in der Größe von Schlafsäcken geformt. In ihnen steckten Menschen!
    Einer der Kokons pendelte leicht hin und her und gab dabei das Knarzen von sich, das sie draußen im Flur gehört hatten. In der Nähe lag eine achtarmige Designerstehlampe. Mindestens die Hälfte der gläsernen Lampenschirme war zerbrochen. Der Professor erkannte am oberen Ende unter der Hülle ein Gesicht, das weitestgehend eingesponnen war. Nur die Augen und die Nase lagen frei.
    Noch immer zeigte Merlins Stern keine Reaktion.
    Zamorra konnte seinen Magen dazu überreden, sich nicht zu entleeren. Er stürmte in das Zimmer und zerrte den Marmortisch unter den pendelnden Schleimsack.
    »Hilf mir mal!«
    Als er aufsah, konnte er Nicole nicht entdecken. Sie war verschwunden!
    Ein Eiszapfen bohrte sich in sein Herz.
    »Nici?«
    Er wollte gerade das Wohnzimmer verlassen und nach ihr suchen, als sie aus dem kleinen Garderobenflur zurückkehrte. Dort hatte sie sich zwei Seidenschals geschnappt und einen davon vor Mund und Nase gebunden. Den anderen reichte sie Zamorra, der ihrem Vorbild folgte. Tatsächlich konnte der Stoff wenigstens etwas des bestialischen Gestanks zurückhalten.
    Gemeinsam kletterten sie auf den Wohnzimmertisch. Zamorra konnte keinen Haken oder etwas Ähnliches entdecken, an dem der Kokon befestigt war. Er vermutete deshalb, dass der Schleim klebrig genug war, um - wenn er getrocknet war - das Gewicht eines Menschen zu tragen. Sie zogen und zerrten und endlich gelang es ihnen, den Sack von der Decke zu lösen.
    »Vorsichtig!« Zamorras Stimme klang gedämpft unter dem Seidenschal.
    Sie legten den Kokon auf den

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