0914 - Der Fluch der Sinclairs
meine Haare aufwühlte, regte sich bei der Gestalt auf dem Pferd nichts. Mensch und Tier sahen aus, als wären sie in einen Glaskasten hineingestellt worden, und ich konnte mich nur wundern.
Als Geist hatte ihn weder mein Vater noch der Abbé ansehen wollen. Was war er dann?
Ich würde es herausfinden. Ein Hologramm war es nicht, auch kein Trugbild, das ich mir einbildete.
Er war schon etwas Besonderes, und wahrscheinlich umgab ihn eine ungewöhnliche Aura, die alle übrigen Einflüsse strikt von ihm fernhielt.
Ich ging auf ihn zu. Es war nicht weit, aber ich fühlte, wie mein Herz schneller schlug, und auch der geheimnisvolle Reiter, der möglicherweise mit dem Schicksal der Sinclairs eng verbunden war, drehte jetzt langsam den Kopf, als hätte er meine leisen Tritte genau gehört.
Er schaute mich, ich schaute ihn an.
Er trug keinen Helm. Eine hohe Stirn lag unter dem hellen Haar, das weiß, aber auch blond sein konnte. Ein Kettenhemd schützte den Oberkörper. Der Mantel wehte über seinen Rücken und hing an der linken Seite des Tieres herab. In seinem Gesicht regte sich nichts. Es war zu einer Maske geworden, und in den Augen lag ein kalter Glanz, der kein Gefühl aufwies. Auch keinen Haß oder keine Abwehr. Er blickte mir irgendwie neutral entgegen.
Ich blieb in seiner Nähe stehen. Mein Kreuz ließ ich noch stecken, denn ich hatte einfach das Gefühl, es vorerst nicht zu brauchen. Dieser Mann hatte mit dem Tod des Sergeanten nichts zu tun. Er war gekommen, um einen anderen zu sprechen, und wahrscheinlich drehte es sich dabei um mich.
Er lächelte nicht, saß auf dem Rücken des Pferdes und wartete nur ab. Indem ich die Hand hob, versuchte ich durch diese grüßende Geste, die Gestalt aus der Reserve zu locken. Und es klappte, denn der Reiter bewegte seinen Kopf. Er nickte mir zu, hatte mich verstanden.
Da ich das Französische relativ gut beherrschte, sprach ich ihn auch in dieser Sprache an. »Du bist gekommen, um uns zu finden. Jetzt hast du uns gefunden. Ich habe von dir gehört, aber ich kenne deine Herkunft nicht. Sie und der Name eines Menschen gehören zusammen. Bist du ein St. Clair?«
»Das bin ich.«
»Und dein Vorname?«
»Gilles. Ich heiße Gilles de St.Clair.«
»Merci. Du bist von hohem Rang.«
»Nein, nicht sehr hoch.«
»Aber du kennst die Katharer«, schoß ich die nächste »Frage« ab und war gespannt auf die Antwort.
In seinem Gesicht mit der straff gespannten Haut regte sich zunächst nichts. Dann sagte er plötzlich.
»Ich kenne die Katharer nicht nur, ich gehöre zu ihnen.«
»Das habe ich mir gedacht«, platzte es aus mir hervor.
Gilles de St.Clair war etwas verwundert. »Du bist nicht überrascht deswegen?«
»Nein, warum sollte ich? Ich habe mich erkundigt. Ich weiß etwas über die Zeit der Albigenserkriege.«
»Ja, sie waren schlimm, sehr schlimm. Die Kirche und der Staat nahmen keine Rücksicht. Gemeinsam versuchten sie, uns auszurotten. Wir waren ihnen ein Dorn im Auge.«
»Zu recht?« fragte ich.
»Warum sagst du das?«
»Weil auch die Katharer nicht eben Heilige waren. Auch sie hatten sich zersplittert. Sie waren in Gruppen und Sekten zerfallen. Oder irre ich mich da?«
»Nein, du irrst dich nicht.«
»Dann habe ich doch viel über deine Zeit gelesen, aber ich weiß nichts über dich, der du einer meiner Vorfahren bist oder einer der Vorfahren des Geschlechtes Sinclair, das es in Frankreich und auch in Schottland gab. Du hast es geschafft zu überleben, und ich bin sicher, daß du nicht als Geist vor mir stehst. Deshalb möchte ich gern wissen, wie du den Tod hast überwinden können. Was war dein Zauber? Welches Geheimnis hat dich umgeben? Was bist du früher gewesen, Gilles?«
»Ein Katharer.«
Es ärgerte mich, daß er nicht mit der Sprache herausrücken wollte. »Ich weiß es selbst, daß du zu dieser Gruppe gehört hast. Aber du mußt einen Stand gehabt haben. Du bist nicht nur irgendein Katharer gewesen, das weiß ich. Nicht ein Gilles de St.Clair.«
Zum erstenmal sah ich so etwas wie eine Regung in seinem Gesicht, denn er lächelte. »Es stimmt, John, nicht ein Gilles de St.Clair. Ich war schon etwas Besonderes. Ich gehörte zu denen, die sich mit der Sternenkunde auskannten, ich war Wissenschaftler, Magier und Mystiker, wobei mich die Magie und die Mystik immer fasziniert hatten und ich mir sogar eine einzige Kapelle errichten ließ, wo ich forschen konnte. Ich wollte die Mysterien der Welt und des großen Gottes herausfinden. Ich wollte sie
Weitere Kostenlose Bücher