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0915 - Macht des Schicksals

0915 - Macht des Schicksals

Titel: 0915 - Macht des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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ihnen, wie Horace es spaßeshalber des öfteren gesagt hatte, aber auf eine derartig schreckliche und unfaßbare Art und Weise sollte ihr gemeinsames Dasein doch nicht enden.
    »Wir werden es schaffen, Mary! Wir beide werden die Hölle durchqueren. Wir beide werden ihr auch wieder entfliehen. Ich weiß das, ich hoffe es.«
    »Danke.«
    »Für was?«
    »Für den Mut, den du mir gemacht hast.« Mary küßte ihren Mann, und es gelang ihr sogar ein gequältes Lächeln. Dann sagte sie leise: »Du mußt jetzt gehen und den Wagen aus der Garage holen.«
    »Ja, ich weiß.« Er stand auf.
    Die Garage war an das Haus gebaut worden. Und sie konnte auch vom Haus her durch eine Verbindungstür erreicht werden. Die Sinclairs fuhren einen für diese Gegend typischen Wagen. Ein Fahrzeug, mit dem man sich auch im Gelände bewegen konnte, einen hochrädrigen Range Rover.
    »Wann soll ich kommen?« fragte Mary. »Oder willst du, daß ich mit in die Garage gehe?«
    »Nein, ich fahre den Wagen vor das Haus. Du wirst ihn ja hören.«
    »Gut. Bis gleich.«
    Horace winkte seiner Frau zu und verließ die Küche.
    ***
    Mary Sinclair blieb am Tisch sitzen. Sie kam sich nicht mehr wie ein normaler Mensch vor, sondern wirkte wie eine Figur, die jemand auf einen bestimmten Platz gesetzt hatte, wo sie warten sollte, bis sie geholt wurde.
    Seit Horace den Raum verlassen hatte, war die Küche so leer geworden. Der Partner hatte Mary noch ein wenig Leben und auch Hoffnung gebracht, nun sah sie sich als Gefangene der Stille, die ihr überhaupt nicht behagte.
    Das war einmal anders gewesen. Da hatte sie die nachmittägliche oder abendliche Stille genossen, doch nach diesen schrecklichen Vorgängen lief das Leben nicht mehr so ab, wie es einmal gewesen war. Alles hatte sich verändert. Sie wußte genau, daß nichts mehr so sein würde wie früher, und davor fürchtete sie sich.
    Angst vor der Zukunft stieg in ihr hoch. Sie war so bedrückend, so furchtbar. Eine Angst, wie Mary sie noch nie erlebt hatte. Dabei ging es nicht allein um sie, auch um ihren Mann, mit dem sie all die Jahre gemeinsam verbracht hatte.
    Der Platz am Tisch gefiel ihr plötzlich nicht mehr. Beinahe kam ihr die Sitzfläche des Stuhls heiß vor, und mit einer schon abrupten Bewegung schoß sie in die Höhe.
    Vor dem Tisch blieb sie stehen. Zunächst in Gedanken versunken und auf die Decke schauend. Aber sie überlegte dabei nicht, auch wenn ihr Gesichtsausdruck den Anschein erweckte. Sie war im Kopf so leer, und sie spürte nur, daß es sie vom Tisch weg und zum Fenster trieb, um in den frühen Abend hineinzuschauen.
    Das seltsame graue Dämmerlicht hatte sich auch jetzt gehalten. Ob es nur an den dunklen Wolkenzungen lag, die über den Himmel schwebten, wußte sie nicht. Es konnte eine andere, eine tiefere Ursache haben, die möglicherweise mit dem Schatten in Verbindung gebracht werden mußte, der seine Fühler ausgestreckt hatte und auf sie lauerte.
    Wo? Draußen? Nahe des Hauses? Über dem Haus? Weiter entfernt? Oder in einer anderen Dimension?
    Mary Sinclair gehörte zu den wenigen Menschen, die genau wußten, daß es andere Dimensionen und Reiche gab. Natürlich durch ihren Sohn, der diese unwahrscheinlichen Reisen schon des öfteren hinter sich gebracht und auch darüber berichtet hatte. Das alles war jetzt nicht wichtig. Es zählten nur sie und Horace. Sie beide mußten versuchen, der gefährlichen Falle zu entkommen.
    Erkennen oder entdecken konnte sie nichts. Der Schatten hielt sich versteckt, vorausgesetzt, er befand sich noch in der Nähe. Mary wollte einfach nicht glauben, daß er sich zurückgezogen hatte. Da war er wie ein Raubtier, das geduldig auf seine Beute lauerte und zu einem gewissen Zeitpunkt zuschlug.
    Sie drehte sich vom Fenster weg. Eine warme Jacke hing im Flur. Sie wollte sie überziehen, und sie dachte sogar daran, einige Dinge in den Koffer zu packen. Wenn ihnen die Flucht gelang, konnten sie nicht wissen, wann sie wieder zurückkehrten.
    »Nein, Unsinn«, sprach sie zu sich selbst. »Das ist verrückt. Solche Dinge zählen nicht mehr.« Mary schüttelte den Kopf und schritt auf die Küchentür zu.
    Die Hälfte der Strecke hatte sie hinter sich gebracht, als sie mitten aus der Bewegung heraus stoppte. Plötzlich ging sie nicht mehr weiter, als wäre ein unsichtbares Hindernis vorhanden.
    Sie überlegte.
    Warum gehe ich nicht weiter? Warum bleibe ich hier stehen? Es gibt keinen Grund…
    Und doch war einer da.
    Sie sah ihn nicht, sie spürte ihn nur.

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