0915 - Macht des Schicksals
Jetzt kannst du beweisen, ob er auf deiner Seite steht oder nicht. Du wirst es tun. Du mußt es tun, wenn du deine Seele retten willst und der Teufel es nicht schafft. Du bist jetzt derjenige, der es nur noch kann. Beweise uns, wir stark du bist. Rette deine Seele, St.Clair, sonst ist es aus mit dir!«
Ich wußte nicht, welche Gefahren seiner Seele angeblich drohten. Es konnte durchaus sein, daß dies in einem Zusammenhang mit meinen Eltern stand, obwohl es schwer vorstellbar war. Ich traute es den beiden einfach nicht zu, gegen einen derartigen Schatten anzukämpfen. Da ich jedoch auf keine andere Lösung kam, mußte es so sein.
»Wir werden reisen müssen, St.Clair!« keuchte ich. »Du willst auch weiterhin die Zeiten überstehen. Du mußt nahe bei deiner Seele sein, verflucht!«
Obwohl ich ihn mit einer Hand festhielt, zitterte er. St.Clair bewegte seinen Mund, er atmete sogar, das war eben das Zwitterhafte an ihm, und ich hoffte, daß seine Kraft noch ausreichte, um uns zurück in meine Zeit zu befördern.
»Tu es!« schrie ich ihn an.
Er schaute mir in die Augen.
Welch ein Blick!
Leer und trotzdem ängstlich sowie durcheinander. So sah jemand aus, für den eine Welt zusammengebrochen war. Er stand noch mit beiden Beinen auf der Erde, aber er schwebte bereits über dem Loch, und ich merkte, wie er sich bemühte.
Es lag auch an meinem Kreuz, das die anderen Energien aufsaugte und dies durch die Abgabe von Wärme meldete. Schon verschwammen die Umrisse vor meinen Augen. Beide gerieten wir in den Kreislauf einer Magie, die Dimensionsgrenzen außer Kraft setzte.
Das Kreuz »brannte«, aber es verbrannte mich nicht. Die andere Magie war ungemein stark. Sie packte uns, sie trieb uns weg, obwohl wir an derselben Stelle blieben, denn noch sah ich die Umgebung.
»Tu es!« brüllte ich. »Rette deine Seele! Sonst bist du für alle Zeit verloren!«
»Ja…!«
Das Brüllen hallte in meinen Ohren. Der Donner schien mich sprengen zu wollen, und plötzlich war der bestimmte Punkt überschritten.
Die Vergangenheit ließ uns los. Ein Spalt war im Gefüge der Zeit entstanden und hatte es brüchig gemacht.
Wir glitten hinein, und ich konnte nur hoffen, daß wir dort landeten, wo sich auch der Schatten in Gefahr befand…
***
Für Horace F. Sinclair hatte der Wahnsinn einen Namen bekommen. Er hieß Mary und war seine Frau. Sie war dabei, den Fluch der Sinclairs zu erfüllen.
Aber war sie es tatsächlich? Oder war sie nur das ausführende Organ einer bösen mörderischen Kraft, die einfach alles an sich reißen wollte?
Ich liege auf dem Boden! Ich sterbe! Ich verblute! Aus mir rinnt das Leben, langsam und qualvoll, aber warum laufe ich trotzdem? Warum bewegen sich meine Beine? Ich bin von einer Kugel getroffen worden, von einer verdammten Kugel!
Horace F. Sinclair begriff nicht, daß er um die Hausecke bog. Vor ihm lag der Weg zur Garage, den er vor kurzem noch in eine andere Richtung gefahren war. Er spürte den pochenden Schmerz in seiner Schulter und im Arm, als wären beide Teile mit kleinen, heißen Eisenstücken gefüllt worden.
Sinclair merkte sogar, daß etwas aus der Wunde rann und seine Kleidung näßte.
Ein tödlicher Treffer?
Der Mann wunderte sich darüber, daß er wieder so klar denken konnte. Der dünne Vorhang war verschwunden, und er schaute zum dunklen Eingang der Garage. Er hatte das Licht noch ausgeschaltet, bevor er in den Wagen gestiegen war. Die anderen konnten tun und lassen, was sie wollten, sie würden ihn nicht packen. Er war schneller, er war gut, er hatte es überwunden…
Da fiel der nächste Schuß.
Sein Optimismus wurde brutal zerstört, und die Kugel hackte dicht neben seinem linken Bein in den Boden, wo sie in geringer Tiefe von einem Stein abprallte und zum Querschläger wurde.
»Ich jage dich wie einen Hasen!« schrie Mary hinter ihm, und ihre Stimme hatte dabei einen Klang bekommen, wie er ihn bei ihr noch nie zuvor gehört hatte. Das war nicht sie, nein, da hatte nicht sie gesprochen. Da mußte etwas anderes in ihr stecken, das sie dermaßen beeinflußt hatte. Sie war einfach grauenhaft und kein Mensch mehr.
»Die nächste Kugel wird dich von den Beinen holen. Sie wird dich fällen, sie wird dich töten oder verletzen, und die Mörderin hat gewonnen, deine eigene Frau.«
Er lief trotzdem weiter. Instinktiv hatte er genau das Richtige getan, denn er setzte seinen Weg in einem Zickzackkurs fort, um kein gutes Ziel zu finden.
Es gab keinen anderen Weg für ihn. Er mußte
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