0915 - Macht des Schicksals
hörte sie fluchen. Der Tritt, wo immer er sie getroffen hatte, war für sie überraschend gekommen.
Sie taumelte zurück, das konnte Horace noch hören, während er sich selbst aufraffte und auch die beißenden Schmerzen in der Schulter und im Arm ignorierte, als er sich auf der falschen Hand aufstützte.
Er warf sich gegen die Tür, die nach innen schwang und ihm den Weg ins Haus freigab.
Auf allen vieren kroch er nach links, nur weg von der Öffnung. Hinter ihm, in der Garage, heulte ein Wolf, zumindest hörte sich der Laut, den Mary abgab, so an.
Sie schoß auch.
Diesmal dröhnte das Echo noch lauter, aber die Kugel hackte in die zurückschwingende Tür, denn Mary Sinclair hatte zu hastig und ziellos abgedrückt.
Horace wußte selbst nicht, wie er es geschafft hatte, sich wieder aufzuraffen. Noch einmal mußte er seinen Lebenswillen zusammennehmen. Im Haus brannte Licht. Horace eilte zum Waffenschrank.
Es war seine letzte Chance, das wußte er, und er wußte auch, daß es der reine Irrsinn war, sich gegen seine eigene Frau mit einer geladenen Waffe verteidigen zu müssen. Aber welche Möglichkeit blieb ihm denn?
Keine andere sonst, und er wollte auch nicht mehr darüber nachdenken. Horace mußte sich von dem Gedanken befreien, daß ihm die eigene Frau auf den Fersen war. Sie sah zwar aus wie Mary, aber im Prinzip war sie es nicht mehr. Da steckte etwas anderes in ihr, eine böse, eine mörderische und teuflische Kraft, gegen die ein Mensch niemals ankommen würde.
Sinclair erreichte den Waffenschrank. Er brauchte ihn nicht zu öffnen, das hatte Mary schon vor ihm getan.
Der Mann griff nach irgend etwas und erwischte eine zweiläufige Schrotflinte.
Sie war nicht geladen, aber die Patronen lagen ebenfalls griffbereit auf einem kleinen Regalbrett im Schrank. Mit der Waffe und der Munition zog sich der Mann in die Dunkelheit zurück. Der Arm schmerzte, er konnte mit der rechten Hand die Waffe nicht halten. Es war ein Fehler, die Schrotflinte mit den verkürzten Läufen hervorgeholt zu haben. Für eine Änderung blieb ihm nicht die Zeit, und mit der schweren Waffe unter dem linken Arm geklemmt, lief er dorthin, wo es dunkler war und er sich einen Platz aussuchen konnte.
Schwer fiel er auf den Boden und blieb so hocken. Sein eigenes Keuchen wehte durch die Diele. Er schüttelte die Patronen aus der Schachtel und hielt sie fest, damit sie ihm nicht wegrollten. Er stemmte den Kolben der Waffe in die Lücke zwischen seinen Beinen, schob die beiden Patronen in die Kammer und lud durch.
Überlaut kam ihm dieses Geräusch vor. Den rechten Arm konnte er nicht mehr einsetzen. Zwar waren die Schmerzen vorhanden, aber um die Wunde herum breitete sich allmählich eine Taubheit aus, die ihren Weg nach unten fand.
Sinclairs Gesicht war verzerrt. Schmutz und Schweiß hatten es zu einer Horrormaske werden lassen.
Die Schrotflinte mit den beiden verkürzten Läufen war jetzt geladen. Sinclair wußte über die Streuwirkung Bescheid. Sie war verheerend. Die Waffe stand nur zur Demonstration im Schrank, auf die Jagd ging er damit nicht. Da nahm er eine Flinte mit normal langen Läufen.
Auf dem Boden hockend wartete er auf seine Frau, auf seine Mörderin, die noch nicht zu sehen, aber zu hören war. Ihr Kichern wehte abermals wie eine Todesbotschaft durch den großen Raum.
Um schießen zu können, mußte er die Schrotflinte in einer bestimmten Stellung halten.
Den Kolben stemmte er gegen die linke Hüfte. So konnte er einen Teil des Rückstoßes abfangen. Er hatte die Waffe nach unten gedrückt. Die Mündungen glotzten wie leere Augen in die Diele hinein, bereit, Tod und Verderben auszustoßen.
Der linke Zeigefinger fand den Abzug.
Sinclair spürte, wie er zitterte. Er mußte sich zusammenreißen, um den Zeigefinger starr halten zu können. Er wollte sich keinen Schuß ins Leere leisten, er mußte treffen, so schwer es ihm auch fiel, denn es war ja seine eigene Frau, auf die er wartete.
Er spürte, wie sein Gesicht immer nasser wurde. Schweiß und Tränen ließen sich nicht aufhalten.
»Mary!« flüsterte er, wobei er seine Stimme kaum wiedererkannte. »Mary, mein Gott, was tust du…?«
Er erhielt keine Antwort.
Sie war brutal und grausam.
Er hörte ihr Lachen, und es war für den Mann wie ein Botschaft des Todes.
In der Diele standen einfach zu wenige Möbelstücke, um das Echo auffangen zu können. So lachte nur einer, der Tod.
Der Tod…
Es echote in seinem Gehirn nach. Horace F. Sinclair zitterte. Und
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