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0915 - Murcons Vermächtnis

Titel: 0915 - Murcons Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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die Vermutung nahe, daß auch er der Versuchung der Hölle erlegen und hier herabgestiegen ist, um sich an den Pforten zu versuchen. Gewöhnlich sehe ich dann hier unten nach, sobald sich eine Gelegenheit ergibt. Und schon oft habe ich einen meiner Freunde unter den Opfern gefunden, die sich dort vor den Pforten zur Hölle häufen."
    Er deutete nach rechts in den Gang hinein.
    „Bist du jemals hier unten einem lebenden Wesen begegnet?" wollte Pankha-Skrin wissen.
    „Nein, noch nicht. Aber da dort drinnen Hunderte von Leblosen liegen, geschieht es offenbar recht oft. daß sich jemand hierherverirrt."
    Der Quellmeister war ebenfalls aus dem Schacht getreten. Zur linken Hand zog sich der matt erleuchtete Gang etwa fünfzig Meter weit, bevor er um eine Biegung verschwand. Zur Rechten dagegen endete er nach wenigen Metern vor einer schweren, metallenen Tür.
    „Ist das die Pforte?" fragte Pankha-Skrin.
    „O nein", lächelte der humpelnde Tantha. „Das ist eine ganz gewöhnliche Tür. Wir werden sie offenlassen, denn es kann sein, daß wir plötzlich die Flucht ergreifen müssen, und dann wollen wir uns mit der Tür nicht aufhalten."
    Die Tür besaß zwei Flügel, aber keinen Riegel. Dennoch trafen die Flügel entlang der Mittellinie in einer derart genauen Passung zusammen, daß kaum eine Rille zu sehen war. Der humpelnde Tantha lehnte sich mit der Schulter gegen den rechten Türflügel und begann zu schieben. Widerwillig gab das schwere Metall nach und wich nach innen zurück. Dabei entstand ein Ton, als habe in weiter Ferne jemand auf einen riesigen Gong geschlagen.
    Jenseits der Tür setzte der Gang sich fort. Er reichte weiter, als selbst des Loowers leistungsfähige Augen zu sehen vermochten. Pankha-Skrin rührte sich nicht von der Stelle.
    „Was ist das für ein Geruch?" fragte er.
    „Das ist der Duft des Todes", antwortete Tantha düster. „Die Luft hier unten ist so trocken, daß die Unglückseligen nicht verwesen. Sie schrumpfen zusammen und werden zu Mumien. Das ist, was du riechst."
    Für den Loower kannte der Tod keinen Schrecken. Die entelechische Philosophie lehrte, daß der Tod etwas Unausweichliches sei - selbst für die Loower der höchsten Gesellschaftsschichten, die im Vergleich zu den geringeren Mitgliedern ihres Volkes ein nahezu unendliches Leben führten. Wenn aber etwas unausweichlich war, dann gab es keinen Anlaß, sich davor zu fürchten. Pankha-Skrin wußte indes, daß Intelligenzen mit monoiden Bewußtseinen, also wahrscheinlich auch die Zaphooren, den Tod in anderem Licht sahen und Angst vor ihm empfanden.
    Der humpelnde Tantha hielt nicht inne, als bis er den rechten Türflügel ganz bis gegen die Wand des Ganges geschoben hatte. Dann sagte er: „So, jetzt ist unser Rückweg offen."
    An Tanthas Seite schritt der Quellmeister den Korridor entlang. An mehreren Stellen zweigten Seitengänge von ihm ab. Auf eine entsprechende Frage des Loowers antwortete der Humpelnde: „Nein, ich weiß nicht, wohin sie führen. Du magst mich für einen tapferen Gesellen halten. Aber in Wirklichkeit ist es mir hier unten unheimlich. Ich tue keinen unnötigen Schritt."
    Nach geraumer Zeit mündete der Gang in eine mächtige Halle, deren Decke sich in der Form einer sanften Kuppel bis zu einer Höhe von gewiß fünfzig Metern wölbte. In der Halle herrschte mildes, gelbliches Licht, das von mehreren Leuchtflächen kam, die in die Decke eingelassen waren. Am anderen Ende des Raums bemerkte PankhaSkrin zwei hohe, torbogenförmige Pforten. Das mußten die Tore sein, die nach dem Glauben der Loower zur Hölle führten.
    Der Boden der Halle aber war mit reglosen Gestalteri bedeckt. Das waren die Unglücklichen, denen die Wißbegierde keine Ruhe gelassen hatte, bis sie die gefährliche Reise zum Vorhof der Hölle unternahmen und vor den schicksalsreichen Pforten ihr Ende fanden. Pankha-Skrin überflog die Szene, die einem anderen grausig erschienen wäre, mit wissenschaftlichem Interesse. An den verschiedenen Stadien der Mumifizierung konnte er abschätzen, wie lange der Fluch, der von den unheimlichen Mächten jenseits der beiden Pforten ausging, bereits anhielt. Es waren, nach loowerischer Zeitrechnung, gewiß schon Tausende von Jahren. Aber bis in die Tage, da Murcon noch Herr seiner Burg gewesen war, reichten die Spuren nicht zurück.
    Das gab dem Quellmeister zu denken. Was war, lange nachdem Murcon seine Burg an die zudringlichen Gäste verloren hatte, geschehen, um diesen Ort zum Vorhof der Hölle zu

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